Finanz- und Wirtschaftsspiegel

Der Newsletter "Finanz- und Wirtschaftsspiegel" informiert täglich über die Aktivitäten der internationalen Zentralbanken mit Schwerpunkt auf die Europäische Zentralbank, die Federal Reserve und die Bank of Japan.

Deutsche Daten für Mai und Zentralbank-Protokolle

Erscheinungsdatum Website: 01.07.2022 15:50:02
Erscheinungsdatum Publikation: 04.07.2022

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FRANKFURT (Dow Jones)--Die Perspektive eines kompletten Lieferausfalls bei russischem Erdgas mit anschließender Rezession bewegt derzeit in Deutschland und Europa die Gemüter. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat die Inflation bereits in ungekannte Höhen steigen lassen und das Vertrauen von Unternehmen und Konsumenten beschädigt, aber ein Gaslieferstopp wäre eine neue Qualität. Angesichts solcher Horrorszenarien ist die Entwicklung des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) im zweiten Quartal eigentlich nur mäßig interessant, aber genau darum geht es, wenn das Statistische Bundesamt (Destatis) in der Woche Konjunkturdaten für den Monat Mai veröffentlicht.

Die Woche bringt außerdem den US-Arbeitsmarktbericht sowie die Protokolle der geldpolitischen Beratungen von US-Notenbank und Europäischer Zentralbank (EZB). Letztere veröffentlicht außerdem die Ergebnisse ihres Klimastresstests für Banken.

Das deutsche BIP ist im ersten Quartal - einer gefühlt sehr fernen Vergangenheit - um 0,2% gestiegen, und die Erwartungen gingen zu jener Zeit dahin, dass Deutschlands Wirtschaft nach dem Ende der Corona-Maßnahmen kräftig wachsen würde. Daran glaubt inzwischen niemand mehr, wobei ein gewisser BIP-Anstieg nicht auszuschließen ist - eine erste Schätzung kommt am 29. Juli.

Deutsche Produktion bleibt wohl unter Vorquartalsniveau

Was ist bisher bekannt? Die Produktion im produzierenden Sektor ist im April um 0,7% gestiegen und lag damit um 1,7% unter dem Niveau des Vorquartals. Für Mai erwarten die von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte einen monatlichen Anstieg von 0,3%, was die Quartalsveränderungsrate auf minus 1,6% steigen lassen würde. Die Daten werden am Donnerstag (8.00 Uhr) veröffentlicht. Die Einzelhandelsumsätze lagen im Durchschnitt der Monate April und Mai um 0,4% unter dem Niveau des ersten Quartals.

Das sieht bisher nicht nach Wirtschaftswachstum aus, aber die Woche bringt ein Update zu Produktion und Umsatz im Dienstleistungssektor, weil Destatis am Mittwoch Daten für April veröffentlicht. Bereits am Montag (8.00 Uhr) kommen Zahlen zu den Exporten im Mai (Prognose: plus 0,9%) und am Mittwoch (8.00 Uhr) Daten zu den Auftragseingängen (Prognose: minus 0,3%) und den Umsätzen im verarbeitenden Gewerbe im Mai.

Beschäftigung am überhitzten US-Arbeitsmarkt nimmt weiter zu

Wichtigster Konjunkturtermin der Woche ist der Freitag (14.30 Uhr), wenn das US-Arbeitsministerium seinen Arbeitsmarktbericht für Juni vorlegt. Ökonomen rechnen nach dem Factset-Konsens mit einem Zuwachs von 250.000 (Vormonat: 390.000) Stellen. Die Arbeitslosenquote soll auf 3,5 (3,6)% sinken. Das ist ein Niveau, das dem Ziel der Fed für eine Vollbeschäftigung entsprechen dürfte. Bei den Stundenlöhnen wird ein Plus von 0,4 (0,3)% gegenüber dem Vormonat erwartet. Im Jahresvergleich wird eine Lohnsteigerung von 5,2 (5,2)% prognostiziert.

Die US-Notenbank betrachtet den Arbeitsmarkt als überhitzt und hat ihren Leitzins deshalb und wegen der hohen Inflation seit März um 150 Basispunkte angehoben. Das Bestreben der Fed, die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesamtwirtschaft zu dämpfen, schürt Ängste vor einer Rezession im nächsten Jahr.

Vor diesem Hintergrund werden Analysten das am Mittwoch (20.00 Uhr) zur Veröffentlichung anstehende Protokoll der geldpolitischen Beratungen vom 14./15. Juni genau nach Hinweisen auf interne Diskussionen, insbesondere zu den Ansichten über die Inflation und das Ausmaß künftiger Zinserhöhungen, absuchen. Es wird spekuliert, ob es im Juli eine weitere Zinserhöhung um 75 Basispunkte geben könnte.

EZB-Protokoll wirft Schlaglicht auf Zins- und Spread-Diskussionen

Ein Sitzungsprotokoll liefert auch die EZB. Sie hatte am 9. Juni erneut "hawkish" überrascht, obwohl den Falken im Rat von EZB-Präsidentin Christine Lagarde bereits im Vorfeld die Flügel gestutzt worden waren: Keine sofortige Zinserhöhung und im Juli, nur ein kleiner Zinsschritt, lautete die Vorgabe. Daran hielt sich der Rat in seinem Beschluss. Über diese Punkte hinaus signalisierte die EZB jedoch eine Serie von Zinsanhebungen, deren Höhe und Dauer vom Inflationsausblick abhängen wird.

Das Augenmerk der Analysten wird auf diesen Zinsdiskussionen sowie auf Äußerungen zur Notwendigkeit von Maßnahmen zur Begrenzung der Staatsanleihe-Spreads liegen, der der Rat keine Woche später eine Sondersitzung widmen musste. Das Protokoll wird am Donnerstag (13.30 Uhr) veröffentlicht.

EZB veröffentlicht Ergebnisse des Klimastresstests für Banken

Außerdem präsentiert die EZB am Freitag (10.00 Uhr) die Ergebnisse ihres Klimastresstests für Banken. Der Test hatte nicht nur das Ziel, die Exponierung der Institute gegenüber dem Klimawandel selbst (in verschiedenen Szenarien) sowie die mit dem Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft verbundenen Risiken zu messen. Vielmehr wollte die EZB auch feststellen, ob die Institute überhaupt in der Lage waren, ihre Umwelt- und Klimarisiken zu messen und darauf zu reagieren. Die EZB wird die Ergebnisse in aggregierter Form veröffentlichen, Aussagen zu einzelnen Instituten wird es nicht geben.

DJG/hab/apo/sha

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