Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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Wirtschaft reagiert überwiegend positiv auf Habecks Klimapläne

Erscheinungsdatum Website: 11.01.2022 16:40:02
Erscheinungsdatum Publikation: 12.01.2022

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BERLIN (Dow Jones)--Die deutsche Wirtschaft hat überwiegend positiv auf die Pläne zu einem Klimasofortprogramm von Bundeswirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck reagiert. Es sei wichtig, dass das Tempo beim Ausbau der erneuerbaren Energien erhöht werde, damit Deutschland seine Klimaschutzziele erreichen und gleichzeitig eine verlässliche Energieversorgung bieten könne, wie es aus mehreren Wirtschaftsverbänden hieß. Die Familienunternehmen sehen Habeck hingegen auf dem Weg in alte Sackgassen, wo er sich in Details verirre.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) betonte, dass Deutschland eine beispiellose Infrastrukturoffensive starten müsse, um den Umbau zu einem klimaneutralen Industrieland umzusetzen. "Die realistische und schonungslose Bestandsaufnahme von Bundeswirtschaftsminister Habeck deckt sich mit den Berechnungen der Industrie", erklärte der BDI-Präsident Siegfried Russwurm. "Die aktuellen Planungen reichen in keinem Sektor auch nur annährend aus."

Um den für 2030 angepeilten Kohleausstieg zu erreichen, müsste Deutschland einen massiven Zubau neuer Gaskraftwerke vornehmen. Hier monierte der BDI allerdings, es sei bei Habecks Ausführungen ungeklärt geblieben, wie sich neue Gaskraftwerke finanzieren sollen. "Damit die Kraftwerke auch wirklich gebaut werden, ist die rasche Einführung eines Kapazitätsmechanismus unbedingt notwendig", mahnte Russwurm.

Richtig sei die Ankündigung Habecks, Klimaschutzverträge (CCfDs) als ein zentrales Instrument zur Unterstützung der Transformation in der Industrie einzusetzen. Gleichzeitig forderte Russwurm von der Regierung, bei der geplanten Reform der Abgaben, Umlagen, Steuern und Entgelte im Energiesystem für die Industrie klare Entlastungen vorzunehmen. Denn alle Unternehmen litten unter stark steigenden Energie- und Stromkosten, die zunehmend existenzgefährdend würden, so Russwurm.

Chemieindustrie fordert Ausgleich für klimafreundlichere Anlagen

Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) lobte, dass Habeck mit dem Sofortprogramm jetzt die gewaltigen Bremsklötze beim Klimaschutz entfernen wollte. "Wir brauchen schnell Höchstgeschwindigkeit, sowohl beim Ausbau der Erneuerbaren als auch bei den Investitionsbedingungen für die Industrie", erklärte VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup.

Damit Unternehmen in großem Stil Geld für Klimaschutz-Investitionen in die Hand nehmen, müssten sie sich darauf verlassen können, dass künftig genug günstiger Grünstrom zur Verfügung stehe, so Große Entrup. Außerdem könnten klimafreundlichere Anlagen, die deutlich teurer seien als Bestandsanlagen, nur dann wettbewerbsfähig sein, wenn die Kostenunterschiede durch CO2-Differenzverträge aufgefangen würden.

Diese von der Regierung zugesagten Differenzverträge seien daher der essenzielle Katalysator, um die Transformation der Branche in Gang zu setzen. "Ohne entsprechende Unterstützung wird es in den energieintensiven Industrien keine Investitionen in transformative Technologien geben", sagte Große Entrup.

Immobilienwirtschaft lobt ambitionierten Habeck

Für den Spitzenverband der Immobilienwirtschaft sind Habecks Pläne "hoch ambitioniert" und erforderten einen Kraftakt. Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusses ZIA, lobte die den Verbrauchern und der Wirtschaft zugesagte Abschaffung der Umlage zur Förderung von Ökostrom ebenso wie die von Habeck in Aussicht gestellten Verbesserungen beim Thema Mieterstrom von Solaranlagen.

"Es ist wichtig, dass der Strom, der auf den Dächern erzeugt wird, auch den Mietern im Haus zu Gute kommt. Dieser Ansatz ist richtig und gut. So können Klimaschutz-Maßnahmen sich direkt positiv auf die Bürger auswirken", erklärte Mattner.

Kritisch sieht er hingegen die geplante allgemeine Solarpflicht auf Dächern. Nötig sei vielmehr eine sinnvolle Einzelbetrachtung, auf welchen Gebäuden eine Solarisierung auch wirklich nützte. Bei der Steigerung der Energieeffizienz in Gebäuden dürfe man sich zudem nicht auf die Sanierung der Gebäudehülle fokussieren. Denn Gutachten des ZIA hätten zeigt, dass eine Sanierung der Außenfassaden mit Dämmung kaum ökologische Effekte brächten.

Kritik von den Familienunternehmen

Einen deutlich kritischeren Ton schlagen die Familienunternehmen an. Reinhold von Eben-Worlee, Präsident des Verbands Die Familienunternehmer, erklärte, dass Habeck den gleichen Fehler wie sein Vorgänger Peter Altmaier begehe. "Er schlägt keine neuen Wege ein, sondern verirrt sich in alten Sackgassen. So verliert er sich im Klein-Klein der Quoten, Flächenvorgaben und der staatlich gelenkten Industriepolitik", sagte Eben-Worlee. "Er hätte groß denken müssen."

So erwähne Habeck mit keinem Wort das im Koalitionsvertrag festgesetzte Ziel, den deutschen Emissionshandel europäisch zu integrieren. Das wäre nicht nur kosteneffizienter, sondern würde auch den Einsparungseffekt vervielfachen, so Eben-Worlee. Außerdem bemängelte er, dass Habeck nicht die Kosten seines Sofortprogramms für das Mehr an Solar- und Windkraftanlagen beziffere. "Ob das Geld reicht oder noch mehr Steuergelder für den Klimaschutz aufgewendet werden müssen, bleibt ebenfalls offen", kritisierte er.

DJG/aat/mgo

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