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De Guindos: EZB arbeitet an Klimastresstest für gesamte Wirtschaft

Erscheinungsdatum Website: 19.03.2021 18:30:02
Erscheinungsdatum Publikation: 22.03.2021

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FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) arbeitet nach den Worten ihres Vizepräsidenten Luis de Guindos an einem Klimastresstest für die gesamte Wirtschaft. "Er umfasst rund 4 Millionen Unternehmen weltweit und 2.000 Banken - nahezu alle Finanzinstitute des Euroraums - und blickt 30 Jahre in die Zukunft", schreibt De Guindos in einem auf der EZB-Website veröffentlichten Blog-Beitrag. Dieser Stresstest finde zusätzlich zu den Tests satt, die die EZB 2022 für einzelne Institute vornehmen werde.

De Guindos zufolge will die EZB mit dem Klimastresstest für die Gesamtwirtschaft ein ausgewogeneres Bild der langfristigen Zielkonflikte der Klimapolitik bekommen. Ermöglicht werde das durch einen neu geschaffenen Datensatz, der die Klimarisiken einzelner Unternehmen und Banken identifiziere und darstelle.

"Vorläufige Ergebnisse zeigen, dass bei Abwesenheit einer Klimapolitik die sich aus extremen Wetterereignissen für die Unternehmen ergebenden Kosten deutlich steigen und deren Scheitern wahrscheinlicher machen", schreibt de Guindos. Die drohende "Treibhauswelt" bedrohe bestimmte Regionen besonders stark durch Hitzewellen und Feuer. Entsprechend stelle eine solche Welt ein besonders großes Risiko für Banken dar, deren Portfolios in diesen Regionen und bestimmten Sektoren konzentriert seien.

Laut de Guindos ergibt sich aus den vorläufigen Ergebnissen des Klimastresstest die Erkenntnis, dass frühzeitiges Handeln lohnt. "Die kurzfristigen Kosten eines Übergangs (zu einer CO2-ärmeren Wirtschaft) verblassen gegenüber den mittel- und langfristigen Kosten eines ungebremsten Klimawandel", schreibt der EZB-Vizepräsident.

Die EZB will im Laufe dieses Jahres noch genauere Erkenntnisse zu diesem Thema gewinnen, ehe sie 2022 Stresstests bei einzelnen Banken vornimmt. Im September will sie außerdem die Ergebnisse ihrer Strategieprüfung veröffentlichen, und dabei auch Aussagen zu den klimapolitischen Handlungsmöglichkeiten der Zentralbank machen.

EZB-Direktor Frank Elderson hatte am Mittwoch allerdings gesagt, dass es möglich sei, dass die EZB bezüglich der Umweltschutzaspekte noch nicht mit fertigen Lösungen komme, sondern weiterarbeiten müsse. Er betonte aber, dass die EZB ihre eigene Bilanz vor Umweltrisiken schützen müsse.

Lagarde: Klimawandel relevant für EZB-Primärmandat

Die EZB muss den Klimawandel nach Aussage von EZB-Präsidentin Christine Lagarde nicht nur im Rahmen der Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik beachten, sondern auch mit Blick auf ihr Primärmandat, die Bewahrung mittelfristiger Preisstabilität. "Er ist relevant für das Primärmandat", sagte Lagarde in der Anhörung des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Europaparlaments. Sie schränkte allerdings ein, dass es hierzu noch keine Position des EZB-Rats gebe. "Wir haben keine vollständige und abschließende Festlegung zu diesem speziellen Aspekt - dazu, wie stark der Einfluss ist und wie sehr er berücksichtigt werden muss", sagte sie.

Die EZB-Präsidentin begründete ihre Einschätzung unter anderem damit, dass der Klimawandel "die Intensität, die Volatilität und die Natur der makroökonomischen Schocks über den geldpolitisch relevanten Horizont hinweg beeinflussen könnte". Das könnte es der EZB laut Lagarde erschweren, ihre geldpolitische Ausrichtung richtig zu beurteilen und anzupassen. Er könnte zu potenziell hartnäckigen Inflationstrends führen und die Wechselwirkung von Geld- und Fiskalpolitik beeinflussen.

Lagarde zufolge könnte der Klimawandel zudem den sogenannten natürlichen Zins beeinflussen und damit den Spielraum für die konventionelle Geldpolitik. Weitere Beispiele sind nach Aussage der EZB-Präsidentin mögliche Einflüsse auf die Art, wie die Geldpolitik über die Finanzmärkte in die Realwirtschaft übertragen wird, sowie der Einfluss auf die EZB-Bilanz über wertlos werdende Assets.

"Ich gebe hier die Meinung des Mitarbeiterstabs wieder, meine eigene Meinung und die vieler anderer EZB-Ratsmitglieder", sagte Lagarde. Sie glaube aber, dass sich die Richtigkeit dieser Annahmen mit der Zeit und mit zunehmender Transparenz erweisen werde.

Die EZB wird im September die Ergebnisse ihrer Strategieprüfung veröffentlichen, und dabei auch Aussagen zu den klimapolitischen Handlungsmöglichkeiten der Zentralbank machen. EZB-Vizepräsident Luis de Guindos hatte am Morgen mitgeteilt, dass die EZB an einem Klimastresstest für die gesamte Wirtschaft arbeitet, der rund 4 Millionen Unternehmen weltweit und 2.000 Banken umfasst und 30 Jahre in die Zukunft reichen soll.

DJG/hab/apo/22.03.2021

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