Märkte der Welt

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Beijings Blick auf Dienstleistungen wirft unangenehme Fragen auf

Erscheinungsdatum Website: 10.03.2021 15:00:08
Erscheinungsdatum Publikation: 18.03.2021

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Der Sektor ist stark abgeschottet / Von Nathaniel Taplin

BEIJING (Dow Jones)--Alle fünf Jahre veröffentlicht Beijing einen neuen Fünfjahresplan, der die wichtigsten wirtschaftspolitischen Ziele beinhaltet. In diesem Jahr ist eines besonders bemerkenswert: Chinas Führung will den prozentualen Anteil der Industrieproduktion an der Gesamtwirtschaft "im Grunde stabil" halten.

Es wirkt seltsam, dass sich die "Werkbank der Welt", die im Verlauf der Pandemie noch Marktanteile hinzugewonnen hat, über einen Trend zu mehr Dienstleistungen Gedanken macht. Doch diese Sorge kommt nicht von ungefähr. Und es ist nicht klar, ob Beijing über die richtigen Werkzeuge verfügt, um mit dieser Herausforderung klarzukommen.

In den meisten Industrienationen fällt mit zunehmendem Wohlstand der Anteil der industriellen Fertigung an der Gesamtwirtschaft: Finanzkräftige Bürger haben mehr Geld, um es für Dienstleistungen etwa in den Bereichen Gesundheit oder Unterhaltung auszugeben. Besorgniserregend an diesem Trend ist vielmehr der Kontext, in dem er zu beobachten ist. Während große Teile des produzierenden Sektors in globale Lieferketten eingebettet sind, ist der Dienstleistungssektor geschützt - nach Daten der OECD stärker als in den meisten großen Volkswirtschaften. China liegt hier gleichauf mit Russland. Allein bei digitalen Diensten kam die Volksrepublik 2020 auf den zweitletzten Platz von 50 Ländern und hat nur Kasachstan hinter sich gelassen. Folge dieser Abschottung ist ein Mangel an Wettbewerb, der das Produktivitätsniveau der Dienstleister niedrig hält und ausländische Investitionen verhindert.

Man muss den chinesischen Regulierern allerdings zugutehalten, dass sie zunehmend realisieren, welch großes Problem mangelnder Wettbewerb darstellt. Das zeigt ihr Vorgehen gegen Internetgiganten wie Tencent und Alibaba. Bisher ist aber noch nicht klar, ob dies echte Produktivitätsverbesserungen bringt, oder ob damit einfach die Marktposition politisch gut vernetzter Firmen wie die der großen Staatsbanken zu Lasten von innovativen Unternehmen wie die mit Alibaba verbundene Ant Group verbessert wird.

Unterdessen ist Beijings Strategie, Industrie und produzierendes Gewerbe direkt zu stärken, ein zweischneidiges Schwert. Neue Handels- und Investitionsabkommen mit Europa und asiatischen Ländern werden dabei helfen, ebenso das Fünfjahresziel, das erhöhte Investitionen in Grundlagenforschung vorsieht. Bemühungen, den Autosektor weiter zu öffnen, tragen bereits Früchte.

Chinas Wirtschaft hat in der Phase der Erholung von der Pandemie einen Sprint hingelegt, und der Industriesektor scheint trotz eines kleinen Rücksetzers im Februar seine Stärke auch im Jahr 2021 demonstrieren zu können. Um aber längerfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, wird Beijing um einige harte Entscheidungen wohl nicht herumkommen. Dazu zählt, dass die Regierung dem schrumpfenden Pool an Arbeitskräften die Freiheit gibt, sich leichter auf die Suche nach den besten Jobs machen zu können. Und auch die Beziehungen zu den großen ausländischen Kunden müssen gekittet werden.

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