Finanz- und Wirtschaftsspiegel

Der Newsletter "Finanz- und Wirtschaftsspiegel" informiert täglich über die Aktivitäten der internationalen Zentralbanken mit Schwerpunkt auf die Europäische Zentralbank, die Federal Reserve und die Bank of Japan.

EZB bestätigt Geldpolitik - Fragen an Lagarde

Erscheinungsdatum Website: 15.01.2021 17:10:02
Erscheinungsdatum Publikation: 18.01.2021

zurück zur Übersicht

FRANKFURT (Dow Jones)--Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) dürfte bei den Beratungen am 20. und 21. Januar beschließen, seine Geldpolitik nach dem im Dezember verabschiedeten umfangreichen Maßnahmenpaket unverändert zu lassen. Langweilig dürfte die anschließende Pressekonferenz mit Präsidentin Christine Lagarde trotzdem nicht werden, denn Journalisten werden sie nach den Fortschritten bei der Prüfung der geldpolitischen Strategie, nach der Einschätzung zum Ausblick und nicht zuletzt zu den Meinungsverschiedenheiten im Rat bei den Dezember-Beschlüssen befragen.

Auch der hohe Euro-Kurs dürfte wieder eine Rolle spielen. Die EZB veröffentlicht ihre geldpolitischen Beschlüsse am Donnerstag (13.45 Uhr), die Pressekonferenz mit Präsidentin Lagarde beginnt gegen 14.30 Uhr.

Daneben stehen in der Woche geldpolitische Entscheidungen von Bank of Japan, Bank of Canada und Norges Bank an. Außerdem kommen die ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland, der EZB-Quartalsbericht zur Kreditvergabe und die Einkaufsmanagerindizes. Von politischer Seite interessant: Der Corona-Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs und das Ergebnis der Wahl zum CDU-Vorsitz.

Der EZB-Rat kommt am Mittwoch und Donnerstag zu den ersten geldpolitischen Beratungen dieses Jahres zusammen. Analysten erwarten, dass die EZB ihre Geldpolitik unverändert lassen wird, nachdem sie am 10. Dezember ein sechspunktiges Lockerungspaket verabschiedet hatte, wobei die Verlängerung und Aufstockung des Pandemiekaufprogramms PEPP und sowie neue Konditionen für die TLTRO3-Langfristgeschäfte herausstachen.

Viel Bewegung seit der Dezember-Sitzung des Rats

Seit Anfang Dezember hat sich einiges getan: Der Amtsübergang von US-Präsident Donald Trump auf seinen Nachfolger Joe Biden läuft bisher weitaus holpriger als befürchtet, aber es ist nun klar, dass Biden über eine Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses verfügen und diese zur Verabschiedung eines weiteren großen Corona-Hilfspakets nutzen wird. EU und Großbritannien haben sich auf ein Handelsabkommen für die Zeit nach dem EU-Austritt geeinigt, und eine heftige Pandemiewelle hat längere und härtere Gegenmaßnahmen als zuvor absehbar nach sich gezogen.

Auch scheinen inzwischen mehrere Versionen des Corona-Virus zu zirkulieren, und es ist nicht klar, wie wirksam die unterdessen genehmigten Impfstoffe gegen sie sind. Und: Europas größte Volkswirtschaft ist glimpflicher als erwartet durch das Corona-Jahr 2020 gekommen. Mit anderen Worten: Auf einigen Gebieten haben die Risiken nachgelassen, auf anderen haben sie zugenommen oder sind unverändert hoch.

Was macht der EZB-Rat aus all dem? EZB-Präsidentin Lagarde hat schon zu erkennen gegeben, dass ihre Bilanz der vergangenen sechs Wochen trotz nach wie vor hoher Unsicherheit positiv ausfällt. "Unsere Projektionen von Dezember sind weiterhin ganz klar plausibel", sagte Lagarde bei einer Konferenz und fügte hinzu: "Unsere Prognose beruht auf Lockdown-Maßnahmen bis zum Ende des ersten Quartals."

Besorgniserregend wäre nach ihrer Aussage, wenn die Länder diese Maßnahmen über März hinaus verlängern müssten, wenn bei Impfprogrammen Verzögerungen einträten oder wenn sie ineffektiv abliefen. "Aber so etwas können wir derzeit nicht vorhersagen", sagte die EZB-Präsidentin.

EZB-Rat winkte Lane-Vorschläge dieses Mal nicht durch

Unterdessen hat das Protokoll der Beratungen von Dezember zutage gebracht, dass der Rat einen Antrag von Chefvolkswirt Philip Lane ablehnte, das TLTRO-Kreditlimit von 50 auf 60 Prozent des anrechenbaren Kreditbestands zu erhöhen. Man einigte sich auf 55 Prozent. Reuters berichtete zudem, dass Lane ursprünglich eine Aufstockung des PEPP-Volumens um 750 Milliarden Euro wollte, aber nur 500 beantragte, nachdem sich im Vorfeld der Sitzung Widerstand abzeichnete. Zudem scheint die Aussage, dass das PEPP-Volumen von 1.850 Milliarden Euro kein Ziel-, sondern ein Maximalvolumen sei, eine Konzession an die Falken im Rat zu sein.

Lagarde dürfte auch hierzu Fragen gestellt bekommen. Thema dürfte außerdem der hohe Euro-Kurs sein. Zwar ist der von der EZB beobachtete nominale effektive Wechselkurs seit Anfang Dezember etwas gesunken, doch liegt er immer noch in der Nähe des 2010 erreichten Allzeithochs. Lagarde machte in oben genannter Konferenz deutlich, dass die EZB diese Entwicklung genau beobachtet.

Drei weitere Zentralbanken veröffentlichen ihre Entscheidungen in der Woche. Die Bank of Canada (Mittwoch, 16.00 Uhr), die Bank of Japan (früher Donnerstagmorgen), und Norges Bank (Donnerstag, 10.00 Uhr).

Straffen Banken ihre Kreditstandards weiter?

Die EZB veröffentlicht zudem ihren Bericht zur Kreditvergabe im vierten Quartal (Dienstag, 10.00 Uhr). Im vorherigen Bericht hatten die Institute eine weitere Straffung ihrer Kreditstandards prognostiziert, was dem Wachstum abträglich wäre. Die EZB hatte die Verlängerung des TLTRO-Programms und dessen günstigere Konditionen auch mit der früheren Straffung der Kreditkonditionen begründet.

Zu den wichtigsten europäischen Konjunkturindikatoren: Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) veröffentlicht am Dienstag (11.00 Uhr) seinen Index der Konjunkturerwartungen für Deutschland. Die von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte prognostizieren einen Anstieg auf 59,0 (Dezember: 55,0) Punkte. Das passt zum Anstieg des DAX um gut 4 Prozent und dem kräftigen Anstieg der vom Beratungsunternehmen Sentix erhobenen Konjunkturerwartungen, die schon veröffentlicht wurden.

Am Freitag kommt IHS Markit mit der ersten Veröffentlichung der Einkaufsmanagerindizes (PMIs) für Januar. Im Dezember waren die Service-PMIs gesunken, die Industrie-PMIs hatten sich dagegen gut gehalten - das Aktivitätswachstum in der Privatwirtschaft des Euroraums verringerte sich damit nicht so stark wie erwartet. Die Daten für Frankreich, Deutschland und den Euroraum kommen um 9.15 Uhr, 9.30 Uhr und 10.00 Uhr.

EU-Gipfel berät über Vorgehensweise in Corona-Pandemie

Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen sich am Donnerstag erneut über ein abgestimmtes Vorgehen in der Corona-Pandemie beraten. Es gibt zwar Impfstoffe, aber die Zulassungen kamen vergleichsweise spät, und der Start der Impfkampagne war bislang unerfreulich stockend. Hinzu kommt die neue Mutation des Covid-19-Virus, die die Infektionszahlen in Großbritannien und Irland hat hochschnellen lassen. Ein gemeinsames Vorgehen ist nötig, um die Verbreitung in der EU zu verhindern. Denn klar ist, dass einerseits die Gesundheitssysteme vieler Länder am Anschlag sind, andererseits aber die Wirtschaft eine baldige Lockerung der Lockdowns will.

Am Freitag gibt es nach Auszählung von Briefwahlstimmen zudem das endgültige Ergebnis der Wahlen zum CDU-Vorsitz. Bereits am Samstag soll auf einem "digitalen Parteitag" über die neue Führung entschieden werden. Aber das Ergebnis muss in einer Briefwahl rechtsverbindlich gemacht werden.

Klar ist, dass es knapp ein Jahr nach dem angekündigten Rückzug der glücklosen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer an der Zeit ist, den künftigen Kurs der Partei zu bestimmen. Im Superwahljahr mit zahlreichen Landtagswahlen und der Bundestagswahl gilt es neue Weichen zu stellen. Denn Bundeskanzlerin Angela Merkel zieht sich aus der Bundespolitik zurück. Offen bleibt weiterhin, ob der neue CDU-Chef auch Unionskanzlerkandidat wird. Denn hier hat der CSU-Vorsitzende Markus Söder noch ein Wörtchen mitzureden.

DJG/hab/jhe

zurück zur Übersicht