Euro Intern

"Euro Intern" enthält neben umfassenden Informationen zur Geldpolitik in der Eurozone und der EU auch wichtige Hintergrundinfos und Analysen mit Charts von EZB-Beobachtern.

EZB lockert Geldpolitik maßvoll - Warnung vor Euro-Aufwertung

Erscheinungsdatum Website: 10.12.2020 18:30:02
Erscheinungsdatum Publikation: 14.12.2020

zurück zur Übersicht

FRANKFURT (Dow Jones)--Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat seine Geldpolitik in etwa wie erwartet gelockert. Zwar schuf er keine zusätzlichen Stimuli, aber er sorgte dafür, dass Anleihekäufe und langfristige Refinanzierungsgeschäfte für Banken länger als bisher geplant für niedrige Marktzinsen und reichlich billige Liquidität sorgen werden.

Die EZB rechnet wegen der zweiten Pandemiewelle mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung im vierten Quartal und ihr volkswirtschaftlicher Stab nahm seine Wachstums- und Inflationsprognosen leicht zurück. Zugleich äußerte sich Lagarde aber nicht mehr ganz so pessimistisch zu den Risiken für den Ausblick. Allerdings rückte die Euro-Aufwertung stärker ins EZB-Blickfeld.

Lagarde: Stärke der zweiten Welle kam unerwartet

"Die Wirtschaftsleistung dürfte im vierten Quartal sinken", sagte Lagarde. Die Pandemie beeinträchtige die Gesundheit der Menschen und die Wirtschaft kurzfristig stärker als erwartet. Zwar habe man mit einer zweiten Welle gerechnet, aber nicht mit einer so starken und nicht mit entsprechend starken Gegenmaßnahmen.

Der volkswirtschaftliche Stab der EZB erwartet, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Euroraums 2020 um 7,3 (bisher: 8,0) Prozent sinken und 2021 um 3,9 (5,0) Prozent steigen wird. Für 2022 und 2023 werden Wachstumsraten von 2,4 (3,2) und 2,1 Prozent prognostiziert. "Die Risiken für diese Prognosen sind laut Lagarde weiterhin abwärts gerichtet, "aber weniger ausgeprägt", wie sie sagte.

EZB-Stab: Inflation 2023 bei nur 1,4 Prozent

Zudem rechnen die EZB-Ökonomen damit, dass die Verbraucherpreise 2020 um 0,2 (0,3) Prozent steigen werden, 2021 um 1,0 (1,0) Prozent, 2022 um 1,1 (1,3) Prozent und 2023 um 1,4 Prozent. Die Inflation bliebe damit ein weiteres Jahr deutlich unterhalb des EZB-Zielwerts von knapp 2 Prozent.

In Reaktion darauf Der Rat stockte das Volumen des Pandemiekaufprogramms PEPP um 500 Milliarden auf 1.850 (bisher: 1.350) Milliarden Euro auf und verlängerte es bis März 2022 (bisher: Mitte 2021). Das entsprach in etwa den Erwartungen von Analysten, die allerdings überwiegend mit einer Verlängerung bis lediglich Ende 2021 gerechnet hatten. Die EZB sagte wie zuvor zu, diese Käufe auf jeden Fall bis zum Ende der "Corona-Krisenphase" fortzuführen.

Lagarde: Herdenimmunität ab Ende 2021 lässt Wirtschaft normaler funktionieren

EZB-Präsidentin Christine Lagarde begründete die PEPP-Verlängerung um neun Monate auch mit Prognosen von Medizinern: "Wir haben guten Grund zu der Annahme, dass wir trotz einiger Unsicherheit Ende 2021 eine ausreichende Herdenimmunität haben werden, so dass die Wirtschaft dann normaler funktionieren kann", sagte sie.

Nach Einschätzung von Alexander Krüger, Chefvolkswirt des Bankhauses Lampe, könnte sich diese Aufstockung um 500 Milliarden angesichts der größeren Verlängerung als zu knapp erweisen. "Wenn alles günstig läuft, kann das reichen", sagte er. Allerdings werde die "Orgie" bei den Anleiheemissionen im nächsten Jahr weitergehen, und auch der Aufstockungsbetrag beim APP-Kaufprogramm von 120 Milliarden Euro sei nicht erneuert worden, gab er zu bedenken.

Berenberg: Geringere APP-Käufe durch PEPP kompensierbar

Tatsächlich bestätigte die EZB beim APP lediglich das normale Monatsvolumen von 20 Milliarden Euro. "Die EZB könnte die geringeren APP-Käufe (Rückgang von 32 auf 20 Milliarden Euro pro Monat) durch höhere Käufe im Rahmen des Pandemiekaufprogramms PEPP ausgleichen und so das kombinierte Volumen konstant halten", schrieb Berenberg-Volkswirt Florian Hense in einem Kommentar.

Lagarde sagte, die Käufe könnten flexibel erfolgen - "das beschlossene Volumen muss nicht mal ausgeschöpft werden, so lange die Finanzierungsbedingungen günstig bleiben". Sollte es der Pandemieverlauf erforderlich machen oder sollten sich die Finanzierungsbedingungen eintrüben, könnte die EZB andererseits ihre Käufe erhöhen und "den Zeitplan überdenken", fügte sie hinzu. Tilgungsbeträge aus fällig werdenden PEPP-Anleihen will die EZB nun bis Ende 2023 (Ende 2022) voll wieder anlegen. Beim APP wird weder im Hinblick auf seine Dauer noch auf die Wiederanlage von Tilgungsbetragen ein Zeithorizont genannt.

Leitzinsen und Forward Guidance unverändert - Warnung vor Euro-Stärke

Die Leitzinsen und die sie betreffende Forward Guidance ließ die Zentralbank konstant. Der Hauptfinanzierungssatz beträgt 0,00 Prozent, der Spitzenrefinanzierungssatz 0,25 Prozent und der Bankeinlagensatz minus 0,50 Prozent. Allerdings deutete Lagarde an, dass die EZB im Falle einer aus ihrer Sicht zu starken Euro-Aufwertung den Einlagenzins senken könnte.

In Beantwortung einer Frage nach der Bedeutung des Euro-Kurses verwies die EZB-Präsidentin auf einen Passus im geldpolitischen Statement, in dem auf die Möglichkeit niedrigerer Zinsen explizit hingewiesen wird. Dort heißt es: "Der Rat wird die Entwicklung des Wechselkurses mit Blick auf seine möglichen Implikationen für den mittelfristigen Inflationsausblick beobachten. Der Rat ist daher weiterhin bereit, alle seine Werkzeuge wie erforderlich anzupassen". Lagarde betonte bei der Verlesung des Dokuments das Wort "alle".

Die Unruhe im EZB-Rat über den starken Euro nimmt offenbar zu, da er nun nicht mehr nur auf Nachfrage in der Pressekonferenz oder den einleitenden Bemerkungen Lagardes, sondern schon in den geldpolitischen Beschlüssen erwähnt wird. In der Pressekonferenz sagte Lagarde, der Wechselkurs sei zwar kein Politikziel, die Euro-Aufwertung übe aber Abwärtsdruck auf die Preise aus.

EZB beschließt Verlängerung von TLTRO3-Programm und dessen Sonderkonditionen

Darüber hinaus beschloss der EZB-Rat, die Serie langfristiger und gezielter Refinanzierungsgeschäfte der dritten Serie (TLTRO3) bis Dezember (März) 2021 fortzuführen. Der für die Banken maximal erreichbare Vorzugszins von 50 Basispunkten unterhalb des Einlagensatzes soll bis Juni 2022 (Juni 2021) Gültigkeit haben.

Banken können künftig TLTRO3-Mittel für 55 (50) Prozent ihres anrechenbaren Kreditbestands aufnehmen. Allerdings müssen sie, um in den Genuss der vorteilhaften Konditionen zu kommen, ihre Kreditvergabe zwischen 1. Oktober 2020 und 31. Dezember 2021 konstant halten.

Diese Maßnahmen werden nach Einschätzung von Nordea-Volkswirt Jan von Gericht "fürs erste reichen". Zu einem späteren Zeitpunkt werde die EZB aber nachlegen müssen: "Die Geschichte zeigt, dass es für eine Zentralbank ziemlich schwer ist, großvolumige Anleihekäufe zu beenden", schrieb er in einem Kommentar. Er hält eine Ausdehnung der Käufe über das erste Quartal 2022 hinaus für wahrscheinlich - ob unter dem Namen PEPP oder einem andere ist zweitrangig".

DJG/hab/jhe/14.12.2020

zurück zur Übersicht