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Stahlindustrie: Politik muss bei Wandel zu grünem Stahl schneller werden

Erscheinungsdatum Website: 28.10.2020 17:25:02
Erscheinungsdatum Publikation: 29.10.2020

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BERLIN (Dow Jones)--Die deutsche Stahlindustrie fordert von der Politik mehr Unterstützung im Transformationsprozess hin zur klimaneutralen Stahlproduktion. Noch immer werde zu wenig getan, um den europäischen Stahlsektor vor billigerem Stahl aus dem Ausland zu schützen. Außerdem müssten endlich Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit Unternehmen in die Umstellung der Stahlproduktion zu grünen Stahl investieren können, forderten verschiedene Industrieunternehmen auf einem vom Wirtschaftsforums der SPD organisierten Stahlgipfel.

"Die Zeit drängt", sagte Frank Schulz, Vorsitzender der Geschäftsführung der ArcelorMittal Germany Holding. "Es ist nicht die Frage der Definition, was wir brauchen, sondern es ist jetzt die Frage der Umsetzung. Die Umsetzung, die hängt hinterher. Wir brauchen messbare Ergebnisse, wir brauchen Planungssicherheit, dass wir die Technologien auch umsetzen können."

Die energieintensive Stahlindustrie spielt eine zentrale Rolle bei der geplanten Reduktion der europäischen Kohlendioxidemissionen. Die Europäische Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat jüngst die Klimaschutzziele verschärft. So soll die Europäische Union ihre Treibhausgase bis 2030 um 55 Prozent und nicht mehr um 40 Prozent im Vergleich zum Niveau von 1990 reduzieren. Die Folgenabschätzung der Europäischen Kommission habe ergeben, dass Wirtschaft und Industrie die Verschärfung bewältigen könnten. Auch soll der Kontinent bis 2050 klimaneutral werden.

Vereinbarungen für Start von Investitionen

Bernhard Osburg, Sprecher des Vorstands der Thyssenkrupp Steel Europe AG, drängte die Politik angesichts der Ziele zur Eile, um die Rahmenbedingungen und konkrete Vereinbarungen festzusetzen. Unternehmen seien darauf angewiesen. "Wir werden im nächsten Jahr Entscheidungen treffen müssen" für die anstehenden Investitionen in eine neue Technologie, so Osburg. "Dass wir hier vorangehen und dann mal gucken, dass der Rest auch nachzieht, das ist sicherlich überhaupt keine Option."

Man reiße die Hälfte der Werksstruktur von Thyssenkrupp Steel Europe ab, und baue Neues auf. Bei den Klimazielen werde einer der Kernindustrien Deutschlands massiv betroffen, an der zwei Drittel aller Industriearbeitsplätze hingen und 50 Prozent der deutschen Exporte. Es sei "schwierig zu verstehen", warum es so stockt beim Angehen der Transformation, so Osburg.

Auch müsse allen klar sein, dass klimaneutral hergestellter grüner Stahl teurer sein werde als der jetzig produzierte Stahl. Darauf müssten sich auch Verbraucher einstellen, sagte Osburg.

Betriebskosten für Produktion von grünem Stahl sind höher

Laut dem Vorstandsvorsitzenden der Saarstahl AG, Tim Hartmann, haben Kunden Interesse an grünen Stahl. Aber sie seien nicht bereit, die Mehrkosten dafür zu bezahlen. Auch warnte er die Politik davor, bei der Transformation die Industrie lediglich auf die Förderung der Investitionskosten anzusprechen. Wenn sich die Politik sehr stark auf die Frage "Wie viele Milliarden braucht ihr?" kapriziere, dann werde die Industrie im Wesentlichen an der gegenwärtigen Technologie herumdoktern und versuchen, diese zu optimieren.

"Die großen Investitionen in einen wirklichen Technologiewechsel werden so nicht zustande kommen. Und wenn wir den jetzt wollen, dann brauchen wir einen verbindlichen Rahmen", forderte Hartmann. Auch müsse die Frage der Betriebskosten für diesen Technologiewechsel "verbindlich gelöst" werden. Denn die Investitionskosten in die neue Technologie seien für sein Unternehmen mit rund 2 Milliarden Euro deutlich geringer als die zu erwartenden Betriebskosten. Auch Osburg von Thyssenkrupp Steel wies auf das Problem der Betriebskosten hin. Hier wäre eine staatliche Förderung mit einer Preisgarantie eine Option, die Unternehmen bei der Transformation hin zu grünem Stahl helfen würde.

Schutz vor billigem Stahlimport

Die Stahlunternehmen drängten auch darauf, dass auf EU-Ebene Lösungen gefunden werden, um die europäischen Stahlproduzenten vor billigeren Importen zu schützen. Bislang seien laut Hartmann von Saarstahl keine fairen Wettbewerbsbedingungen gegeben. So bremsten die Juristen der Europäischen Kommission Vorschläge von der Politik, die europäische Stahlindustrie vor billigen Importen etwa aus China oder der Ukraine zu schützen, die nicht mit den hohen CO2-Kosten und anderen Sozialstandards zu tun hätten.

Der Außenhandelsrahmen sei aber das "zwingende Element" im Transformationsprozess, so Hartmann. "Wir müssen in den nächsten Jahren auch erst einmal wieder Geld verdienen, um diese Transformation, um diese Investitionen, auch den Teil, den wir aus eigenen Mitteln darstellen müssen, auch wirklich darstellen können", so Hartmann. Denn die Folgen der Corona-Pandemie hätten die Kassen sehr schnell leer gespült.

Osburg von Thyssenkrupp Steel forderte staatliche Hilfen für die Transformation. Die Investitionen in die neue Technologie bis 2050 beliefen sich für sein Unternehmen auf 8 bis 10 Milliarden Euro. Dazu kämen dann noch die Betriebskosten. Das könne aus dem Cashflow alleine nicht finanziert werden.

DJG/aat/apo

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