Finanz- und Wirtschaftsspiegel

Der Newsletter "Finanz- und Wirtschaftsspiegel" informiert täglich über die Aktivitäten der internationalen Zentralbanken mit Schwerpunkt auf die Europäische Zentralbank, die Federal Reserve und die Bank of Japan.

EZB/Enria: Aufseher bezüglich notleidender Kredite im Blindflug

Erscheinungsdatum Website: 28.10.2020 17:25:02
Erscheinungsdatum Publikation: 29.10.2020

zurück zur Übersicht

FRANKFURT (Dow Jones)--Die europäischen Aufsichtsbehörden haben nach den Worten des Chefs der EZB-Bankenaufsicht, Andrea Enria, kein klares Bild von den Kreditrisiken der Euroraum-Banken. "Die Besonderheit der jetzigen Situation ist, dass wir große Risiken haben, die mit hoher Unsicherheit vermischt sind", sagte Enria bei einer Konferenz der European Savings Bank Group. Man wisse, dass es einen Einschlag geben werde und dass die notleidenden Kredite (NPL - Non Performing Loans) steigen würden und man bereite sich auf den Einschlag vor.

"Aber wir wissen nicht, wann genau das geschehen wird, weil all die öffentlichen Unterstützungsmaßnahmen - Moratorien, Staatsgarantien und so weiter - dazu führen, dass wir uns gewissermaßen in einem Blindflug befinden", sagte er. Laut Enria sieht die Europäische Zentralbank (EZB) bisher keine Signale für eine Verschlechterung der Kreditqualität. Gleichwohl müssten sich Behörden, Aufseher und Banken auf einen Einschlag vorbereiten, von dem man noch nicht wissen, wie hart er sein werde.

Laut Enria hat die EZB den Banken empfohlen, eingedenk der Lehren aus der Finanzkrise zu versuchen, 'ahead of the curve' zu bleiben. "Sie sollen rechtzeitig beginnen, mit den Kunden zu reden, sie sollten versuchen, die Kunden in Notlagen zu identifizieren und bestimmte Segmente des Portfolios abzugrenzen, sie sollten versuchen, große Qualitätsprobleme zu identifizieren, und mit den Kunden zu sprechen, um Kredite zu restrukturieren und Stundungen so bald wie möglich anzubieten", sagte Enria. Das könne helfen, Kliffeffekte zu vermeiden.

Enria räumte ein, dass es derzeit in Bezug auf die Auslagerung von NPL in eine Bad Bank keinen großen Appetit auf eine große europäische Lösung gebe. "Die Reise geht wohl eher in Richtung eines Netzwerks nationaler Asset Management Companies", sagte er. Im übrigen hoffe er, dass sich die Volkswirtschaften bald so stark erholten, dass es gar keine Bad Banks brauche. "Aber während wir auf das Beste hoffen dürfen, müssen wir uns zugleich auf das Schlimmste vorbereiten", sagte er.

DJG/hab/apo

zurück zur Übersicht