Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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Banken wollen Standards für Unternehmenskredite weiter straffen

Erscheinungsdatum Website: 27.10.2020 17:35:02
Erscheinungsdatum Publikation: 28.10.2020

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FRANKFURT (Dow Jones)--Die Banken des Euroraums haben ihre Standards für Unternehmenskredite im dritten Quartal deutlich gestrafft und wollen das auch im laufenden vierten Quartal tun. Wie aus der Quartalsumfrage zur Kreditumfrage der Europäischen Zentralbank (EZB) hervorgeht, liegt das vor allem an einer erhöhten Risikowahrnehmung der Institute im Hinblick auf das konjunkturelle Umfeld und die eigene Situation sowie an einer geringeren Risikotoleranz.

Wie aus dem aktuellen Quartalsbericht der EZB zur Kreditvergabe hervorgeht, überstieg der Prozentsatz der Banken mit strafferen Unternehmenskreditstandards den Prozentsatz von Häusern mit lockereren Standards um 19 Punkte. Die Nachfrage nach Unternehmenskrediten sank um 4 Punkte; sie wurde vor allem von einer niedrigeren Nachfrage nach Mitteln für Investitionen und Übernahmen gemindert. Die Banken hatten eine Straffung der Kreditstandards um 23 Punkte erwartet.

Positiv wirkten sich Refinanzierungsmöglichkeiten für Banken an den Märkten und auch die eigene bilanzielle Situation aus, woran die aktuellen Maßnahmen der EZB Anteil hatten. Die Wertpapierkäufe im Rahmen des APP- und des PEPP-Programms sowie der negative Einlagenzins wirkten laut EZB stützend auf die Kreditvolumen, aber minderten die Profitabilität der Banken.

Kreditstandards umfassen unter anderem Zinsen, Anforderungen an Sicherheiten, Kreditlaufzeiten und Tilgungsraten. Sie sind bankinterne Richtlinien dafür, welche Art von Krediten eine Bank wünschenswert findet, welche sektorspezifischen und geografischen Prioritäten zu beachten sind, welche Sicherheiten als akzeptabel gelten und welche Voraussetzungen (Bilanzsituation, Einkommenslage, Alter oder Beschäftigungsstatus) ein Kreditnehmer erfüllen muss.

Kreditstandards werden weniger als in der Finanz- und Euro-Krise gestrafft

Für das vierte Quartal wird eine Straffung der Unternehmenskreditstandards um abermals 19 Punkte erwartet. Grund sind Sorgen über den Einfluss der Corona-Pandemie auf einige anfällige Sektoren sowie Sorgen hinsichtlich der Fortführung finanzieller Stützungsmaßnahmen. Die EZB verweist in ihrer Veröffentlichung darauf, dass die aktuellen Entwicklungen weitaus günstiger als während der Finanz- und der Euro-Krise seien. So habe es von Ende 2007 bis Anfang 2009 einen Straffungssaldo von 52 Punkten gegeben und Ende 2011 einen von 30 Punkten.

Auch die in den Kreditverträgen konkret vereinbarten Konditionen für neue Unternehmenskredite wurden gestrafft, und zwar um 8 Prozentpunkte. So verlangten die Banken beispielsweise deutlich höhere Kreditsicherheiten. Die Margen zogen leicht an. Die Kreditverweigerungsrate stieg um 3 Punkte, nachdem sie im Vorquartal um 12 Punkte gesunken war.

Die Politik der EZB ist darauf gerichtet, eine möglichst günstige Kreditversorgung der Unternehmen sicherzustellen. Dazu hat sie den Banken sehr langfristige Kredite mit überaus günstigen Konditionen gegeben. Die befragten Institute äußerten sich zu einer möglichen Beteiligung an künftigen TLTRO-Langfristtendern zurückhaltend. Laut EZB bekundeten weniger Institute als zuletzt ihre feste Absicht, viele Institute waren noch unsicher.

In Spanien besonders deutliche Straffung und sinkende Nachfrage

Regional gesehen wurden die Kreditstandards vor allem in Spanien (40 Punkte) gestrafft, weniger stark in Frankreich (10 Punkte) und Deutschland (6 Punkte). Die deutschen Banken hatten im dritten Quartal angegeben, für das vierte Quartal mit keiner weiteren Straffung zu rechnen. In Italien blieben die Standards unverändert.

Die Nachfrage nach Unternehmenskrediten wuchs in Italien um 70 Punkte und in Deutschland um 28 Punkte. Eine rückläufige Nachfrage gab es in Spanien (minus 60 Punkte) und in Frankreich (minus 58 Punkte).

Wie aus aktuellen EZB-Daten hervorgeht, stieg die tatsächliche Buchkreditvergabe an nicht-finanzielle Unternehmen im September wie schon in den beiden Vormonaten mit einer Jahresrate von 7,1 Prozent. Die Kreditstandards für Hauskaufkredite und Konsumentenkredite wurden im dritten Quartal um 20 bzw. 9 Prozentpunkte gestrafft.

DJG/hab/apo

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