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EZB/Schnabel: Umkehrzins ist noch nicht erreicht

Erscheinungsdatum Website: 28.08.2020 17:50:02
Erscheinungsdatum Publikation: 31.08.2020

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FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) geht nach den Worten von EZB-Direktorin Isabel Schnabel weiterhin davon aus, dass die negativen Auswirkungen des negativen Einlagenzinses für die Gewinne und die Risikoneigung der Banken beherrschbar sind. Schnabel sagte beim 35. Kongress der European Economic Association laut veröffentlichtem Redetext allerdings auch, dass der EZB durchaus das Risiko bewusst sei, dass anhaltend negative Zinsen dazu führen könnten, dass Banken nicht mehr, sondern weniger Kredite an die Realwirtschaft vergeben. Derzeit sei dieses Zinsniveau aber noch nicht erreicht.

"Es gibt beträchtliche Unsicherheit hinsichtlich der genauen Höhe des Umkehrzinses, und jüngste Schätzungen deuten darauf hin, dass die EZB die effektive Zinsuntergrenze noch nicht erreicht hat", sagte Schnabel. Allerdings bestätigten Daten zu den täglich fälligen Einlagen von Haushalten, dass negative Leitzinsen im Massengeschäft kaum weitergegeben würden. Dagegen nehme die negative Verzinsung von Unternehmenseinlagen zu, was diese zu einer höheren Investitionstätigkeit anrege.

Schnabel wies wie üblich darauf hin, dass negative Einlagenzinsen die Gewinne der Banken auch positiv beeinflussten, weil sie die Endnachfrage stützten und damit die Verlustrückstellungen minderten. Darüber hinaus habe die EZB einen bedeutenden Teil der Überschusseinlagen der Banken vom negativen Einlagenzins freigestellt und die Banken über langfristige Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO) mit sehr günstiger Liquidität versorgt.

Schnabel hielt gleichwohl fest: "Die Nebenwirkungen dürften mit der Zeit relevanter werden. Da negative Zinsen größtenteils schädliche makroökonomische Trends spiegeln, die die Zentralbank nicht beeinflussen kann, braucht es eine kraftvolle Reaktion der Regierungen auf die Pandemie, um das Potenzialwachstum zu heben und damit positiven Zinsen in der Zukunft den Weg zu ebnen."

Ambivalent äußerte sich die EZB-Direktorin auch zu den Wirkungen negativer Zinsen auf die Risikoneigung der Banken bei der Jagd nach Rendite. Schnabel verwies auf eine Studie, derzufolge Banken mit hohen Einlagen (also niedrigeren Nettozinserträgen) eher dazu neigen, Kredite an Unternehmen mit einer schwankenden Eigenkapitalrendite zu vergeben. Allerdings seien diese Unternehmen im Durchschnitt weniger hoch verschuldet und ebenso profitabel wie die Kreditnehmer von Banken mit niedrigen Einlagen.

Eine andere Studie kommt laut Schnabel zu dem Ergebnis, dass Banken mit hohen Kundeneinlagen bei ihren Wertpapieranlagen höhere Risiken eingehen als Banken mit niedrigeren Einlagen. "Diese Jagd nach Rendite ist bei schwächer kapitalisierten Banken stärker ausgeprägt, was Sorgen mit Blick auf die Finanzstabilität bereiten könnte", sagte die EZB-Direktorin.

Positiv wirkt eine höhere Risikoneigung von Banken mit hohen Kundeneinlagen dagegen laut Schnabel auf die Realwirtschaft. "In Deutschland ist das Risiko der Kreditnehmer von Banken mit hohen Einlagen und einer begrenzten Möglichkeit zur Weitergabe negativer Zinsen zwar größer, aber dafür steigern diese Unternehmen Investitionen und Beschäftigung nach Erhalt eines Kredits stärker", merkte sie an und fügte hinzu: "Die höhere Risikoneigung von Banken könnte sich eher als eine wünschenswerte Auswirkung als ein Fehler erweisen, so lange sie nicht die Finanzstabilität gefährdet."

DJG/hab/smh/31.08.2020

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