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Bundestag stimmt dem Konjunkturpaket mit Mehrwertsteuersenkung zu

Erscheinungsdatum Website: 03.07.2020 19:20:02
Erscheinungsdatum Publikation: 06.07.2020

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BERLIN (Dow Jones)--Der Bundestag hat am Montag einem massiven Konjunkturpaket im Kampf gegen die aktuellen Corona-Krise zugstimmt. Mit einem Bündel von Entlastungen und Investitionen sollen Konsum und Wirtschaft wieder angekurbelt werden. Zu den Kernelementen des 130 Milliarden Euro schweren Pakets zählen die zum 1. Juli geplante Mehrwertsteuersenkung und ein Kinderbonus.

Union und SPD stimmten dem "Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz" gegen Stimmen der AfD und FDP zu, mit dem die zeitkritischen Änderungen des Konjunkturpakets umgesetzt werden. Grüne und Linke enthielten sich. Insgesamt umfasst das Konjunkturpaket 57 Punkte.

"Deutschland startet vom Krisenmodus in den Zukunftsmodus mit dem klaren Anspruch, dass wir nicht zurückwollen auf Los, sondern dass mir mit diesem Kickstart ein neues Level erreichen, ein neues Level beim Wachstum und bei Digitalisierung, ein neues Level bei Innovation und Technologie, ein neues Level bei Ökologie und Nachhaltigkeit und Sicherheit und Souveränität", erklärte der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe Alexander Dobrindt im Bundestag. "Deutschland wir stärker, krisenfester und moderner aus dieser Krise rauskommen mit diesem Paket."

Die SPD betonte, dass mit den Maßnahmen sowohl der private Konsum als auch die Wirtschaft angestoßen werden sollen. "Es passiert unendlich viel auf der Nachfrageseite für die Verbraucherinnen und Verbraucher", erklärte der SPD-Abgeordnete Lothar Binding im Bundestag. "Wenn wir eins erreichen wollen ist es, dass die Unternehmen überleben."

Er verteidigte zudem das Paket gegen Kritik, dass mit dem Geld zu wenig zur Modernisierung hin zu einer ökologischen Wirtschaft getan werde. "Die Existenz der Strukturen ist wichtig, um sie dann auch zu transformieren. Da wird sicherlich ein weiterer Schritt kommen müssen", so Binding.

Anfang Juni hat sich die große Koalition auf Konjunkturpaket im Umfang von 130 Milliarden Euro in diesem und dem nächsten Jahr verständigt. Mit den Maßnahmen soll die von der Corona-Krise und dem damit verbundenen Lockdown schwächelnde Wirtschaft wieder auf die Beine kommen.

Zu dem Paket gehört eine Mehrwertsteuersenkung zum 1. Juli für ein halbes Jahr von 19 auf 16 Prozent. Der ermäßigte Satz soll von 7 Prozent auf 5 Prozent sinken. Zudem sieht der Gesetzentwurf unter anderem einen Kinderbonus von 300 Euro, eine höhere Kaufprämie für Elektroautos und Überbrückungshilfen für den Mittelstand über insgesamt 25 Milliarden Euro vor.

Opposition befürchtet weitere Hilfen für Krisengewinner

Kritik an den Maßnahmen kam aus der Opposition. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Dürr, warf Union und SPD vor, mit der Mehrwertsteuer einen bürokratischen Mehraufwand zu schaffen, unter dem der Mittelstand enorm leiden werde. Auch drohten die Krisengewinner wie Amazon mehr von der Absenkung der Mehrwertsteuer zu profitieren als die Verbraucher. "Es ist mehr als fraglich, ob das Geld wirklich bei den Menschen ankommen wird", so Dürr.

Auch die Linken-Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht kritisierte im Bundestag, dass die geringere Umsatzsteuer nicht zielgerichtet bei den Verbrauchern ankommen werde. "Ihre Unfähigkeit, Geld dahin zu lenken, wo es wirklich gebraucht wird, ist schon auffallend", so Wagenknecht. Effektiver wären Konsumschecks und höherer Löhne für den Niedriglohsektor gewesen.

Ifo sieht begrenzten Impuls durch Mehrwertsteuersenkung

Besonders die Absenkung der Mehrwertsteuer bleibt umstritten. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) erwartet, dass die niedrigeren Sätze einen "Wumms" auslösen und die Bürger zu mehr Konsum animieren. Ökonomen geben allerdings zu bedenken, dass Kosten für die Absenkung von geschätzten 20 Milliarden nicht komplett in die Konjunktur fließen werden. Laut Ifo Institut wird die Absenkung die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um lediglich 0,2 Prozentpunkte oder 6,5 Milliarden Euro vergrößern.

"Daraus folgt nicht notwendigerweise, dass die Umsatzsteuersenkung als konjunkturpolitische Maßnahme abzulehnen ist. Man kann die Stützung der Unternehmen und die Entlastung der Konsumenten in der aktuellen Krisensituation durchaus als wünschenswert ansehen, selbst wenn es nicht zu einer starken Ausdehnung des Konsums kommt", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. "Insgesamt sollten an Konjunkturprogramme nicht zu hohe Erwartungen gerichtet werden. Es ist meines Erachtens trotzdem sinnvoll und notwendig, die Konjunktur in dieser kritischen Lage mit Mitteln der Fiskalpolitik zu stützen."

Rechnungshof kritisiert hohe Kreditaufnahme

Auch gab es Kritik, dass die befristete Absenkung zu Beginn des nächsten Jahres zu einem Einbruch des Konsums führen wird und dass die Verringerung der Steuersätze ein Übermaß an Bürokratie auslöse. Zudem hat der Bundesrechnungshof kritisiert, dass die zusätzliche Nettokreditaufnahme zur Finanzierung des Konjunkturpakets hätte vermieden werden können. Stattdessen hätte der Bund seine aus den Jahren 2015 bis 2019 angesparten Rücklagen in Höhe von 48,2 Milliarden Euro ausgeben können. Insgesamt plant der Bund in diesem Jahr die Rekordsumme von 218,5 Milliarden Euro an neuen Krediten.

Der SPD-Politiker Binding wies die Kritik des exzessiven Schuldenmachens allerdings zurück. Aktuell sei für den Bund eine Schuldenaufnahme möglich "entweder zum Zins null oder zu einem negativen Zinssatz".

"Wann wäre denn die Zeit für den Staat nicht Schulden zu machen, wenn in dieser Zinslage?", so Binding. "Alles andere wäre geradezu dumm. Es ist klug, jetzt Schulden aufzunehmen, die Reserven zu belassen. "

Das Konjunkturpaket gilt für dieses und das kommende Jahr. Der Bund alleine wird 120 Milliarden Euro schultern. Der Bundesrat muss dem Gesetz noch am Nachmittag in einer Sondersitzung zustimmen.

DJG/aat/mgo/06.07.2020

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