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IfW: Scholz-Konzept zu Transaktionssteuer hat gravierende Schwächen

Erscheinungsdatum Website: 06.03.2020 18:35:02
Erscheinungsdatum Publikation: 09.03.2020

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KIEL/BERLIN (Dow Jones)--Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) hat in einem Gutachten im Auftrag der Bundesregierung den von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) vorgeschlagenen Weg für eine europäische Finanztransaktionssteuer kritisiert. "Das bislang vorliegende Konzept für eine EU-Finanztransaktionssteuer steht zu Recht in der Kritik, unter anderem weil es Derivate und den außerbörslichen Handel außen vor lässt", sagte IfW-Ökonom Christoph Trebesch, unter dessen Federführung das Gutachten im Auftrag des CSU-geführten Bundesentwicklungsministeriums entstand.

Als größte Schwäche des Vorschlags nennen wie Wissenschaftler die Beschränkung auf börsengehandelte Aktien. Die ausgenommenen Derivate machten über 80 Prozent der Finanztransaktionen in Deutschland und der Eurozone aus. Eine isolierte Aktiensteuer sei "aus ökonomischer und finanzieller Sicht nicht zu rechtfertigen", so das IfW. "Die geplanten Ausnahmen setzen unerwünschte Anreize zugunsten nichtregulierter Märkte und Finanzprodukte und diskriminieren gegen all jene, die auf klassische Börsenplätze setzen", sagte Trebesch.

Würde die Finanztransaktionssteuer auch Derivate und den außerbörslichen Handel umfassen, würde dies nach den Berechnungen des Kieler Instituts konservativ geschätzt doppelt so hohe Einnahmen ermöglichen. Die Wissenschaftler schlugen eine Ausweitung auf außerbörslichen Handel (OTC) sowie auf Derivate vor, allerdings zu einem deutlich niedrigeren Steuersatz von 0,01 bis 0,02 Prozent, da die Umschlagszahlen im Derivatemarkt äußerst hoch seien. Außerdem sollte die Steuer nach ihrem Dafürhalten auf Transaktionen von Anleihen und im Hochfrequenzhandel ausgeweitet werden.

Nach Scholz' Plan sollen hingegen nur die Käufer von Aktien großer Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von über 1 Milliarde Euro eine Steuer von 0,2 Prozent des Geschäftswertes zahlen. Insgesamt verhandeln zehn EU-Staaten über die Einführung des Projekts im Rahmen einer Verstärkten Zusammenarbeit - neben Deutschland noch Österreich, Belgien, Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal, die Slowakei, Slowenien und Spanien. Österreich hat aber mit einem Verlassen der Verhandlungen gedroht, weil der Plan Derivate außen vor lässt. Die Verhandlungen laufen seit 2011. Mitte März könnte es beim nächsten EU-Finanzministertreffen zu einem neuen Anlauf kommen.

Scholz' Vorschlag ist auch innerhalb der Regierungskoalition umstritten. Die Unions-Bundestagsfraktion hat bereits vor einem "Etikettenschwindel" gewarnt und betont, der Richtlinienentwurf verdiene "den Namen Finanztransaktionssteuer nicht". Der CDU-Wirtschaftsrat erklärte, die geplante Steuer treffe vor allem diejenigen, die für das Alter vorsorgten. "Dass der Staat durch eine Finanztransaktionsteuer diese Altersvorsorge erschwert und gleichzeitig eine Grundrente einführt, ist ein Treppenwitz der Geschichte", sagte Generalsekretär Wolfgang Steiger. Auch eine grundsätzliche Unterstützung der Steuer im IfW-Gutachten sei daher unverständlich.

Scholz hat Mittel aus der Steuer allerdings schon zur Finanzierung der Grundrente eingeplant. Angesetzt sind Einnahmen von 1,5 Milliarden Euro.

DJG/ank/jhe/09.03.2020

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