Euro Intern

"Euro Intern" enthält neben umfassenden Informationen zur Geldpolitik in der Eurozone und der EU auch wichtige Hintergrundinfos und Analysen mit Charts von EZB-Beobachtern.

Eilt die EZB den vom Corinavirus geängstigten Europäern zu Hilfe?

Erscheinungsdatum Website: 28.02.2020 19:15:02
Erscheinungsdatum Publikation: 02.03.2020

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FRANKFURT (Dow Jones)--Setzen die Finanzmärkte zu große Hoffnungen in die Europäische Zentralbank (EZB)? Der Ausbruch des Coronavirus, der die Wachstumsaussichten der Eurozone in diesem Jahr voraussichtlich weiter dämpfen wird, scheint ein Missverständnis über die Fähigkeit der Zentralbank, auf einen möglichen Schock zu reagieren, hervorgerufen zu haben. Auf der einen Seite preisen die Märkte eine weitere Senkung des Leitzinses der EZB ein, der seit 2014 negativ ist und im vergangenen September weiter auf derzeit minus 0,60 Prozent gesenkt wurde.

Aber andererseits haben EZB-Vertreter in den vergangenen Tagen immer wieder gesagt: Es ist noch zu früh, um die wirtschaftlichen Folgen des Virus zu beurteilen, deshalb ist es jetzt wichtig, abzuwarten. "Was wir wirklich verstehen müssen, wenn wir Geldpolitik betreiben, sind die möglichen mittelfristigen Auswirkungen, und im Moment ist dies unklar", sagte Isabel Schnabel, eines der sechs Mitglieder des EZB-Direktoriums, am Donnerstag in einer Rede in London. Zugleich räumte sie ein, dass die Covid-19-Krankheit "die Unsicherheit wirklich deutlich erhöht".

Bank of America senkt Wachstumsprognose für Euroraum

Am Mittwoch hatte der irische Zentralbankgouverneur Gabriel Makhlouf gesagt, es sei "noch zu früh, um zu einer Meinung darüber zu kommen, was wir als Europäische Zentralbank tun sollten", um die wirtschaftlichen Folgen der Krankheit zu bekämpfen. Die nächste Sitzung des EZB-Leitungsgremiums, des 25 Mitglieder umfassenden EZB-Rates, findet am 12. März statt. Vielleicht hat sich die Zentralbank bis dahin eine klarere Meinung gebildet? Die Analysten der Bank of America haben ihre Wachstumsprognose für die Eurozone für dieses Jahr bereits von 1,0 auf 0,6 Prozent gesenkt.

Ungeachtet der Markterwartungen gibt es wenig Grund, von der EZB zu erwarten, dass sie sich dann bewegt. Erstens, weil sie darauf bestehen wird, dass andere zuerst handeln müssen. Zweitens, weil ihre Fähigkeit, einem Angebotsschock wie dem durch den aktuellen Ausbruch verursachten entgegenzuwirken, begrenzter ist als in üblichen Rezessionen. Und drittens, weil ihre derzeitigen Instrumente bereits umstritten sind und jeder weitere Schritt die Meinungsverschiedenheiten im EZB-Rat noch verschärfen könnte, besonders wenn keine harten Daten vorliegen, die eine Änderung der Politik rechtfertigen.

Geldpolitische Reaktion stieße wohl auf Probleme

Eine weitere Senkung der Einlagenzinsen würde das Problem der negativen Zinssätze für die Banken der Eurozone noch verschärfen. Sie sollen ja gerade ermutigt werden, die Unternehmen zu unterstützen, die von den durch das Virus verursachten Störungen am stärksten betroffen sein werden - stillgelegte Fabriken, abwesende Arbeitnehmer, rückläufiger Handel.

Eine Erhöhung des monatlichen Kaufs von Wertpapieren wie Staatsanleihen wäre auch durch den schrumpfenden Pool von Vermögenswerten, die nach dem Erwerb eines 2,6 Billionen Euro schweren Portfolios durch die EZB im Laufe der Jahre noch auf dem Markt gekauft werden können, begrenzt werden.

Schließlich wäre es für die EZB schwierig, ein bestimmtes Land vor den Folgen des Virus zu schützen. Ein Beispiel dafür ist Italien, das nach Ansicht der BoA-Analysten nach der fast vollständigen wirtschaftlichen Lähmung des industriellen Nordens des Landes in diesem Jahr in eine echte Rezession abgleiten wird.

EZB kann Italien alleine nicht helfen

Der Ausbruch des Coronavirus hat die Anleger in sichere Anlagen getrieben, wobei die Renditen der meisten Staatsanleihen der Eurozone seit Jahresbeginn gesunken sind. Aber die Renditen der italienischen Schulden sind in der vergangenen Woche in die Höhe geschnellt, und die Regierung hat die Europäische Union bereits gewarnt, dass es ihr schwer fallen würde, ihre fiskalischen Ziele in diesem Jahr zu erreichen.

Die Handlungsfähigkeit der EZB, Italien allein zu helfen, wäre begrenzt, abgesehen von einer möglichen kleinen Änderung in der Zusammensetzung der monatlich gekauften Anleihen, wodurch sich die Menge der italienischen Wertpapiere im Korb erhöhen würde. Im Falle eines größeren wirtschaftlichen Schocks würde dies jedoch nicht viel ausmachen.

Seit Monaten liegt die EZB im Streit mit den Regierungen der Eurozone, die sie vergeblich davon zu überzeugen versucht hat, ihren Teil zur Unterstützung der Wirtschaft beizutragen. Sie haben sich nicht auf einen koordinierten fiskalischen Stimulus einigen können. Und es besteht kaum eine Chance, dass dies jetzt gelingt.

Das mag der Grund dafür sein, warum die EZB-Granden darauf bestehen, dass sie mehr Zeit brauchen, um die Situation zu beurteilen. Das könnte eine Möglichkeit sein, den europäischen Politikern die Botschaft zu übermitteln, dass sie zuerst handeln müssen. Die Gefahr besteht darin, dass die Eurozone, wenn keine Hilfe von den Regierungen kommt, wieder einmal eine Gelegenheit verpasst, eine Krise zu bewältigen, bevor sie eskaliert.

DJG/DJN/hab/cln/02.03.2020

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