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EZB zieht ernüchternde Bilanz ihrer Inflationsprognosen

Erscheinungsdatum Website: 20.12.2019 15:30:02
Erscheinungsdatum Publikation: 23.12.2019

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FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) hat eine ernüchternde Bilanz ihrer Bemühungen gezogen, die künftige Inflationsentwicklung zu prognostizieren. In ihrem aktuellen Wirtschaftsbericht schreibt die EZB, Schuld an den seit 2013 überhöhten Inflationsprognosen seien vor allem die Ölpreise gewesen. Für die ebenfalls zu hohen Kerninflationsprognosen führt die EZB eine Reihe von Gründen und möglichen Gründen an und tröstet sich damit, dass andere Institutionen ähnlich falsch lagen. Im Rahmen ihrer Strategieprüfung will die EZB im nächsten Jahr auch die Messgrößen von Inflation und Inflationserwartungen auf den Prüfstand stellen.

"Die Prognosefehler bei der HVPI-Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel zeigten in den vergangenen sechs Jahren eine ständige Überschätzung der Inflation", schreibt die EZB in dem Bericht. Dabei könnten fehlerhafte technische Annahmen eine Rolle gespielt haben, zum Beispiel könnten die indirekten Auswirkungen des gesunkenen Ölpreises unterschätzt worden sein, meint die EZB. Als weiteren möglichen Faktor nennt sie die Euro-Aufwertung 2017 und Anfang 2018. "Aber selbst bei Berücksichtigung dieser Faktoren bleibt es bei einer deutlichen Überschätzung", räumt die EZB ein.

Hinsichtlich möglicher Ursachen verweist die EZB auf folgende Punkte:

Laut EZB könnte das Ausmaß der Unterauslastung der gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten unterschätzt worden sein. Das könnte das Lohnwachstum und den Kostendruck gebremst haben.

Während der Staatsschuldenkrise sanken Preise und Löhne nicht so stark, wie das eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Das lag wohl unter anderem daran, dass in Europa Löhne nicht deutlich oder gar nicht sinken können. Spiegelbildlich dazu könnte die Erholung von Löhnen und Preise im Aufschwung ebenfalls weniger stark ausfallen.

Als eine weitere Ursache wird im Widerspruch zum vorigen Punkt erwogen, dass unterausgelastete Kapazitäten zu ungewöhnlich starken Preisrückgängen geführt haben könnten. Dabei könnten die Strukturreformen in einzelnen Ländern eine Rolle gespielt haben.

Der preissenkende Einfluss globaler Faktoren könnte über das hinausgehen, was von den Import- und Rohstoffpreisen erfasst wird.

Zunehmende Handelsströme, die Integration von Schwellenländern in die Weltwirtschaft und die Auslagerung bisher heimischer Fertigung ins Ausland könnten die Inflation gedämpft haben.

Laut EZB testet eine Arbeitsgruppe der Euroraum-Zentralbanken derzeit den Einsatz verbesserter Prognosemodelle bei den vierteljährlichen Stabsprojektionen. Gesucht wird außerdem nach Wegen, die Fehler bei technischen Annahmen wie der Ölpreisentwicklung zu verringern, die sich aus der Verwendung von Futures ergeben.

In einer Grafik zeigt die EZB, dass andere Institutionen, wie der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Organisation für internationale Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) dem Euroraum noch höhere Inflationsraten vorhersagten als die EZB.

DJG/hab/sha/23.12.2019

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