Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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DIW: Finanzsektor zur Nachhaltigkeit verpflichten

Erscheinungsdatum Website: 09.12.2019 17:25:02
Erscheinungsdatum Publikation: 10.12.2019

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BERLIN (Dow Jones)--Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat sich für eine Einführung verbindlicher Nachhaltigkeitskriterien im Finanzsektor ausgesprochen. Weder in der EU noch in Deutschland gebe es eine einheitliche Definition für die sogenannten ESG-Kriterien (Environmental, Social und Governance/Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung). Deshalb sei es "wichtig, diese zeitnah zu konkretisieren, konsequent auf ökologische Nachhaltigkeit und sozial-ethische Kriterien auszurichten und auch eine verpflichtende Einführung von ESG-Kriterien durchzuführen", sagte die DIW-Energie- und Umweltexpertin Claudia Kemfert anlässlich der Vorstellung eines neuen Vierteljahresheftes mit dem Titel "Green Finance: The Macro Perspective".

In dem DIW-Band argumentieren die Autoren, dass grüne Geldpolitik bei der Erreichung der Klimaziele helfen könne. Kemfert verwies dazu auf Artikel 2 des Pariser Klimaabkommens, das die Unterzeichnerstaaten auffordert, Finanzmittelflüsse in Einklang zu bringen mit den Bemühungen um eine emissionsärmere Welt.

Auf EU-Ebene müsse daher ein einheitliches und umfassendes Klassifizierungssystem für nachhaltige Geldanlagen entwickelt werden, mahnte Kemfert. Alle Finanzmarktakteure müssten zudem verpflichtet werden, ihre Nachhaltigkeitsrisiken offenzulegen. Dies sei auch deshalb wichtig, "weil die freiwillige Offenlegung auch zu Risiken führen kann, zum Beispiel Greenwashing oder Unterschlagung der Risiken". Beim Greenwashing geben Unternehmen beispielsweise vor, umweltfreundlich und sozial fair zu agieren, obwohl das Gegenteil der Fall ist.

Kemfert begrüßte die Entscheidung der Europäischen Investitionsbank (EIB), ab 2021 keine fossilen Energieprojekte mehr mit Krediten zu unterstützen. Auch Gasprojekte sind dann von einer Förderung ausgeschlossen. Wenn EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am kommenden Mittwoch ihren "European Green Deal" geht, wird es auch um die Finanzmärkte gehen.

Von Deutschland erwartet DIW-Abteilungsleiterin Kemfert, die ESG-Kriterien auch in der öffentlichen Beschaffung anzuwenden. Zudem müsse sich der Staat aus klimaschädlichen Investments zurückziehen. Erst im Sommer hatte das Umweltbundesamt in einer eigenen Studie die umweltschädlichen Subventionen der Bundesregierung auf über 57 Milliarden Euro taxiert.

Die DIW-Forschungsdirektorin Finanzmärkte, Dorothea Schäfer, ergänzte, in dem von ihr herausgegebenen Heft würden die Autoren für die zentrale Rolle des Staates beim Klimaschutz plädieren. Ein Instrumenten-Mix etwa aus CO2-Steuer, grünen Staatsanleihen oder Zertifikaten sei besser und effektiver als nur ein einzelnes Instrument. Schäfer zufolge wird auch diskutiert, dass "zukünftige Generationen sich an den Investitionen in den Klimaschutz beteiligen sollten". Das sei am besten möglich über die Staatsverschuldung, "also grüne Anleihen".

Dagegen wies der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GdV) auch auf Probleme des grünen Geschäfts hin. "Die Versicherer berücksichtigen zunehmend Nachhaltigkeitskriterien", sagte GdV-Geschäftsführungsmitglied Klaus Wiener in seinem Vortrag. "Doch grüne Investments sind nicht per se risikolos." Beispielsweise hätten sie in der Solarindustrie seit Auflegung 2005 laut dem MAC Global Solar Energy Indes mehr als 50 Prozent Wertverlust erlebt. Anleger, die in der Boomphase 2007 und 2008 investierten, hätten rund 90 Prozent ihres Kapitals verloren, so Wiener. Er warnte daher vor zu viel Regulierung und warb für die Marktwirtschaft. "Wir haben Leistungsversprechen ausgegeben, und die müssen wir auch erfüllen."

DJG/pso/jhe

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