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Weidmann: EZB sollte kein Tolerieren höherer Inflation signalisieren

Erscheinungsdatum Website: 22.11.2019 21:00:02
Erscheinungsdatum Publikation: 25.11.2019

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FRANKFURT (Dow Jones)--EZB-Ratsmitglied Jens Weidmann hat die Europäische Zentralbank (EZB) davor gewarnt, wegen der seit langem niedrigen Inflation den Finanzmärkten zu signalisieren, dass die EZB für einige Zeit eine Inflation von über 2 Prozent zulassen werde. In seiner Rede beim European Banking Congress stellte sich Weidmann damit gegen die in jüngster Zeit häufig betonte "Symmetrie" des EZB-Inflationsziels.

Weidmann unterschied in seiner Rede zwei Arten von Forward Guidance, mit denen die Zentralbank den Märkten ihre geldpolitischen Absichten signalisieren kann, wenn die Leitzinsen an der Nullzinsgrenze liegen: Erstens kann sie signalisieren, dass sie sich anders verhalten wird, als die Marktteilnehmer das erwarten. Zweitens kann sie kommunizieren, dass sie sich anders verhalten wird, als die geldpolitische "Regel" das erwarten ließe.

"Die Theorie besagt, dass eine Zentralbank in der Nähe der effektiven Zinsuntergrenze mehr tun kann, wenn sie die zweite Methode einsetzt. Mit ihrer Zusage, die Zinsen länger als von der geldpolitischen Regel impliziert niedrig zu halten, würde die Zentralbank signalisieren, dass sie in der Zukunft ein Überschießen der Inflation zulassen würde", sagte Weidmann.

Auf diese Weise würden die Inflationserwartungen steigen und (bei unverändertem Nominalzins) der Realzins sinken. Das käme einem Wachstumsstimulus gleich, denn Verbraucher und Unternehmen würden Konsum und Investitionen vorziehen. Analysten haben die Aussage des ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi, das EZB-Ziel sei symmetrisch, so verstanden, dass Draghi auf eben diesen Mechanismus abzielte.

Weidmann wies in seiner Rede auf einige praktische Hindernisse bei der Umsetzung eines solchen "Lower-for-longer"-Ansatzes hin:

1. Die Zentralbank hat zum Zeitpunkt ihres Versprechens zwar gute Gründe dafür. Steigt dann aber die Inflation tatsächlich, hat sie ihr Ziel - mehr Konsum und Investitionen - erreicht und ist nun mit den Kosten ihrer Politik - einer höheren Inflation - konfrontiert. "An diesem Punkt hat die Zentralbank einen Anreiz, ihr Versprechen zu brechen", sagte Weidmann.

2. Das absichtliche Tolerieren einer höheren Inflationsrate widerspricht dem geldpolitischen Mandat der EZB. Es wäre schwer zu kommunizieren und würde ihre Glaubwürdigkeit gefährden.

3. Lower for longer würde erfordern, dass die Akteure ihre kurzfristigen Inflationserwartungen der EZB-Kommunikation anpassen, ohne dass es dabei zu einer Entankerung der langfristigen Inflationserwartungen kommt.

Weidmann räumte ein, dass die EZB-Geldpolitik angesichts des niedrigen Inflationsdrucks akkommodierend bleiben müsse. Er verwies aber zugleich darauf, dass Erwartungen weiterer EZB-Zinssenkungen in den vergangenen Wochen und Monaten geschwunden seien.

DJG/hab/kla/25.11.2019

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