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Oberstes Gericht in Polen soll über eigene Disziplinarkammer entscheiden

Erscheinungsdatum Website: 19.11.2019 14:15:02
Erscheinungsdatum Publikation: 20.11.2019

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LUXEMBURG (AFP)--Im Streit um die Justizreformen in Polen hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg erneut den hohen Rang einer unabhängigen Justiz betont. Diese sei Garant für die Werte und Rechtsstaatlichkeit in der Europäischen Union, heißt es in einem am Dienstag verkündeten Urteil zur reformierten Disziplinarkammer für die obersten polnischen Richter. Ob diese Kammer ausreichend unabhängig ist, soll aber das oberste Gericht in Warschau selbst entscheiden (Az: C-585/18 und weitere).

Das hier strittige Gesetz über das oberste Gericht trat im April in Kraft. Unter anderem wurde damit die Disziplinarkammer am obersten Gericht neu geordnet. Sie entscheidet nun auch darüber, ob Polens oberste Richter über den 65. Geburtstag hinaus weiterarbeiten können. Betroffen sind jetzt nur noch neu berufene Richter. Die Herabsetzung des Regelruhestands auch für derzeitige Richter nahm Polen nach heftiger Kritik auch des EuGH wieder zurück.

Berufen werden die Mitglieder der Disziplinarkammer vom polnischen Präsidenten. Klagen hiergegen sind nicht möglich. Entscheidend für die Unabhängigkeit der Kammer ist nach dem Luxemburger Urteil daher der Landesjustizrat, der dem Präsidenten Vorschläge macht. Im Zuge der Reform wurden hier der Einfluss der Politik deutlich erhöht und das Mandat der derzeitigen Mitglieder auf vier Jahre begrenzt. Zudem soll es bei Neubesetzungen Unregelmäßigkeiten gegeben haben.

Ob danach der Landesjustizrat und damit auch die Disziplinarkammer ausreichend unabhängig sind, soll nun das oberste Gericht selbst entscheiden. Es dürfe keinerlei Zweifel "an der Unempfänglichkeit dieser Einrichtung für äußere Faktoren, insbesondere für unmittelbare oder mittelbare Einflussnahmen durch die Legislative und die Exekutive" geben.

Angefragt hatte die Kammer für Arbeits- und Sozialsachen am obersten Gericht. In ihrem Vorlagebeschluss deutete sie an, sie könnte die Disziplinarkammer übergehen und Verfahren insbesondere über den Ruhestand an sich ziehen, wenn sich die Disziplinarkammer als EU-widrig erweisen sollte. Auch wenn die verschiedenen Kritikpunkte jeweils für sich genommen unkritisch sein könnten, komme es hier auf eine Gesamtschau an, betonte der EuGH.

ost/20.11.2019

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