Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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Politik, Handel und Konjunktur

Erscheinungsdatum Website: 11.10.2019 17:10:03
Erscheinungsdatum Publikation: 14.10.2019

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FRANKFURT (Dow Jones)--Die globale Wirtschaft ist im Abschwung, während die Risiken etwa durch die Handelskonflikte und den Brexit wachsen. Zudem geht die Konjunkturflaute einher mit strukturellen Verschiebungen in wichtigen Branchen wie dem Automobil- und Maschinenbau, angestoßen von Digitalisierung, Klimawandel und Künstlicher Intelligenz. Das export- und industrielastige Wirtschaftsmodell Deutschlands gerät dabei unter besonderen Druck, weil es sowohl handelspolitisch als auch technologisch verwundbar ist.

Gleich zwei wichtige Tagungen symbolisieren in der Woche diese Verschränkung von Politik, Handel und Konjunktur: In Washington findet die Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) sowie der Weltbank statt und in Brüssel treffen sich die Staats- und Regierungschefs der EU, um über den Brexit zu beraten. Premier Boris Johnson wollte das maßlos unterschätzte Grenzproblem in Irland mit Technologie lösen, die es bislang aber noch gar nicht gibt. Auf dem Spiel steht, dass die angeschlagene Konjunktur in Europa bei einem Scheidungskrieg einen schockartigen Einbruch erleidet.

Zuletzt äußerten sich Johnson und der irische Premier Leo Varadkar überraschend zuversichtlich. Bei ihren privaten Treffen nahe Liverpool wollen die beiden einen Weg ausgemacht haben, wie ein Abkommen bis zum 31. Oktober erreicht werden kann. Aber es käme einem Wunder gleich, wenn es nach all den Irrungen und Wirren doch noch zu einer gütlichen Einigung käme. Man sollte daher abwarten, bis es konkrete Beschlüsse gibt, die auch vom EU-Gipfel bestätigt werden.

Weltwirtschaft in einem "synchronisierten Abschwung"

Die IWF-Tagung und der EU-Gipfel beginnen am Donnerstag. Die neue IWF-Chefin, Kristalina Georgieva, hat die Staatengemeinschaft dazu aufgerufen, auf das schwächere Weltwachstum mit stärkeren Maßnahmen zu reagieren. Um das volle Potenzial von Dienstleistungen und E-Commerce zu erschließen, sei insbesondere ein modernes Handelssystem nötig.

Gegenwärtig befinde sich die Weltwirtschaft in einem "synchronisierten Abschwung", sagte Georgieva im Vorfeld der Tagung. Diese weit verbreitete Abschwächung bedeute, dass das Wachstum in diesem Jahr auf den niedrigsten Stand seit Beginn des Jahrzehnts sinken werde. Der anstehende World Economic Outlook (WEO) werde Abwärtsrevisionen für die Jahre 2019 und 2020 zeigen, kündigte Georgieva an. Der WEO wird schon am Dienstag publiziert.

Um Politik und Konjunktur geht es auch bei den Handelsgesprächen zwischen den USA und China. Während China offenbar versucht, kleinteilige Vereinbarungen zu erreichen und die großen Problemfelder zunächst außen vor zu lassen, will US-Präsident Donald Trump einen großen Deal. Positiv wird von Experten gesehen, dass in der Beijinger Delegation neben dem Vizepremier auch der Notenbankchef vertreten ist. Damit schickte China ein hochrangiges Team nach Washington.

Eher belastend für die Gespräche könnte dagegen sein, dass die USA acht chinesische Technologieunternehmen auf eine schwarze Liste gesetzt haben, die an Menschenrechtsverstößen in der muslimisch geprägten Provinz Xinjiang beteiligt sein sollen - also wieder ein Fall, in dem sich Politik, Handel und Konjunktur überlappen.

Unterdessen hat die Türkei ihre Militäroffensive gegen kurdische Verbände begonnen. Nachdem US-Präsident Donald Trump mit einem US-Truppenabzug erst den Weg für diesen Angriff freigemacht hatte, drohte er danach, die türkische Wirtschaft zu "zerstören", sollte die Türkei in Syrien seiner Ansicht nach zu weit gehen. Welche möglichen Aktionen der Türkei er damit meinte, erklärte Trump nicht.

Nachdem sich die Türkei mit dem Kauf russischer Flugabwehrraketen schon ein Stück weit von der Nato entfernt hat, drohten US-Senatoren der Türkei jetzt scharfe Sanktionen an, sollte das Land seine Militäroffensive gegen Kurden in Nordsyrien nicht stoppen.

Politische Bühnen dominieren die Woche

Mit IWF-Tagung, EU-Gipfel, Handelsgesprächen und Türkei/Syrien dominieren in dieser Woche die politischen Bühnen, während die Konjunkturdaten etwas in den Hintergrund treten, obwohl es davon eine Menge gibt. In Deutschland steht der ZEW-Index für Oktober an. Im September hatten sich die ZEW-Konjunkturerwartungen deutlich erholt, weil sich die Befürchtungen über eine Verschärfung des Handelsstreits nicht bestätigten. Für Oktober erwarten Ökonomen aber wieder einen Index-Rückgang.

Aus China kommen die Daten zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) für das dritte Quartal (Freitag), zudem die Handelsbilanz (Montag), die Verbraucherpreise (Dienstag) und die Industrieproduktion (Freitag). Der anhaltende Handelsstreit mit den USA dürfte seine Spuren in den BIP-Daten für das dritte Quartal hinterlassen haben. Nach Ansicht der ANZ-Bank gibt es sogar das Risiko, dass die Wachstumsrate unter 6,0% sinkt, obwohl Beijing ein ganzes Maßnahmenbündel auf den Weg gebracht hat, um die Wirtschaft zu stimulieren. Im zweiten Quartal war das BIP um 6,2% gewachsen.

Der Datenkranz zur US-Konjunktur wird fortgeschrieben mit den Einzelhandelszahlen (Mittwoch) sowie dem Philly-Fed-Index und der Industrieproduktion (Donnerstag). Zudem steht das Beige Book (Mittwoch) an, mit dem die US-Notenbank die jeweils nächste Ratssitzung vorbereitet. Für die Sitzung am 30. Oktober preisen die Terminmärkte eine Zinssenkung um 25 Basispunkte zu 85% ein. Im September hatte die Fed ihren Leitzins um 25 Punkte gesenkt, um die Wirtschaft vor Risiken abzusichern, da der Handelsstreit zwischen den USA und China die globalen Wirtschaftsaussichten eintrübt.

DJG/apo/smh

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