Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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BNY: Volatilität am US-Geldmarkt kein Zeichen für Krise

Erscheinungsdatum Website: 10.10.2019 16:20:02
Erscheinungsdatum Publikation: 11.10.2019

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FRANKFURT (Dow Jones)--Keine Signal für eine sich anbahnende Krise sollten Marktteilnehmer aus der jüngsten Volatilität am US-Geldmarkt ableiten. In den vergangenen Wochen hatte der Mangel an kurzfristiger Liquidität mehrfach die US-Geldmarktsätze nach oben getrieben. Vor allem der kurzfristige Sprung des Reposatzes auf 10 Prozent am 17.September hatte für Aufmerksamkeit auch in der breiteren Öffentlichkeit gesorgt.

"Solch einen Zuwachs gab es seit der Finanzkrise nicht mehr", unterstreicht Vincent Reinhart, Chefökonom von Mellon, einer Gesellschaft von BNY Mellon Investment Management. Er sieht dahinter aber keine Systemkrise im Finanzsystem. Repogeschäfte ermöglichen Banken schnellen Zugriff auf Liquidität. Dabei kauft eine Geschäftsbank von einer anderen Bank Wertpapiere mit der Vereinbarung, diese am nächsten Tag zurückzukaufen.

"Der Anstieg des Reposatzes kann somit ein Zeichen sein, dass Banken einander keine Kredite mehr gewähren. Das wiederum heizt Spekulationen über ein mögliches systemisches Problem im Finanzsystem an - wie damals während der Finanzkrise". Zeichen für Banken in Schwierigkeiten seien dies dennoch nicht: Vielmehr sei der Anstieg wohl auf eine Reihe zufälliger Ereignisse zurückzuführen, sagt Reinhart.

Zusammenspiel von Fed und US-Banken kurz aus dem Takt geraten

Nachdem die Fed dem Bankensystem ein Jahrzehnt lang reichlich Liquidität zugeführt habe, habe sie ihr Portfolio in den vergangenen beiden Jahren schrittweise reduziert und damit ihre Reserven. Zudem seien dem US-Finanzministerium Mitte September Steuereinnahmen in Milliardenhöhe zugeflossen, ebenso wie der Erlös aus einigen großen Anleiehauktionen. Dadurch sei die Bilanz der Zentralbank um 200 Milliarden US-Dollar angeschwollen. Im Umkehrschluss sei den Geschäftsbanken im ungefähr gleichen Umfang Liquidität entzogen worden.

"Die Banken wiederum wollten größere Reserven halten als die Fed bereitstellte. Weil diese auf dem Geldmarkt nicht zu bekommen waren, stieg der Reposatz steil an", meint Reinhart.

Fed-Präsident Jerome Powell habe kürzlich konstatiert, dass es unklar sei, in welchem Umfang Liquidität von der Zentralbank zur Verfügung gestellt werden müsse, um den Reposatz auf stabilem Niveau zu halten. "Das ist allerdings keine Neuigkeit, denn die Suche nach der richtigen Balance zwischen Angebot und Nachfrage folgt für die Fed seit jeher zu einem gewissen Maß auch dem Prinzip von Versuch und Irrtum".

Die derzeitige Volatilität zeige, dass die Zentralbank die Situation wohl falsch eingeschätzt habe, obwohl sie das Problem relativ schnell erkannt und dem Bankensystem vorübergehend 75 Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt habe. Dieser Betrag sei inzwischen deutlich erhöht worden.

Sprunghafte Repo-Änderungen historisch üblich

Die zehn Jahre seit der Finanzkrise seien derweil einzigartig, weil die US-Notenbank das Bankensystem mit Liquidität geflutet und dadurch auch die Schwankungsbreite des Reposatzes deutlich eingeengt habe. Vor der Finanzkrise sei die Bilanzsumme der Fed deutlich kleiner und die Notenbank wesentlich zurückhaltender gewesen bezüglich der dauerhaften Bereitstellung von Liquidität. "Sprunghafte Veränderungen des Reposatzes waren damals üblich, ebenso wie kurzfristige Maßnahmen zur Sicherstellung der Liquidität", betont Reinhart.

Historisch gesehen sei das Vorgehen also nicht außergewöhnlich, und bis sich die Fed dazu entschließe, die Reserven dauerhaft zu erhöhen, werde sie dem Repomarkt auch weiterhin Liquidität zur Verfügung stellen. "Dass die Fed das richtige Maß auf Anhieb findet, ist allerdings nicht garantiert. Deshalb sollten sich Anleger darauf einstellen, dass die Volatilität am Repomarkt weiter zunimmt", warnt der Experte.

DJG/mod/gos

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