Finanz- und Wirtschaftsspiegel

Der Newsletter "Finanz- und Wirtschaftsspiegel" informiert täglich über die Aktivitäten der internationalen Zentralbanken mit Schwerpunkt auf die Europäische Zentralbank, die Federal Reserve und die Bank of Japan.

Regierung verteidigt Klimaschutzgesetz gegen heftige Kritik

Erscheinungsdatum Website: 07.10.2019 17:35:02
Erscheinungsdatum Publikation: 08.10.2019

zurück zur Übersicht

BERLIN (Dow Jones)--Die Bundesregierung hat Kritik am Entwurf für das Klimaschutzgesetz zurückgewiesen. Es würden nach wie vor die vom Bundeskabinett beschlossenen Eckpunkte für das Klimaschutzprogramm gelten, erklärte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Montag in Berlin. Es gehe nun darum, dass die Klimaziele 2030 eingehalten werden. "Daran halten wir weiter fest." Der Entwurf des Bundesumweltministeriums soll wie geplant am Mittwoch im Kabinett beschlossen werden, so Demmer.

Laut dem Bundesumweltministerium (BMU) wurde am Samstag die Verbändeanhörung für den Referentenentwurf eingeleitet, zeitgleich veröffentlichte das Haus das Papier in der Fassung vom 4. Oktober. "Die Ressortabstimmung läuft gerade", sagte Sprecher Nikolai Fichtner. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter hatte den Entwurf als nicht überzeugend bezeichnet. "Wer Ziele verwässert und Kontrollmöglichkeiten schleift, der meint es ganz offenkundig nicht ernst mit dem Klimaschutz", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Gemessen an der Menschheitsaufgabe sei die Bundesregierung beim Klimaschutz gescheitert.

"Von einer Abschwächung kann keine Rede sein", erklärte indes Ministeriumssprecher Fichtner. "Wir haben sektorverbindliche Ziele, die auch eingehalten werden." Beim Klimaschutz gäbe es nun "Verbindlichkeit und Klarheit". Der Referentenentwurf gibt anders als zuvor geplant keine CO2-Reduktionsziele für das Jahr 2040 mehr vor. Fichtner erklärte den Sachverhalt damit, dass die europarechtlichen Rahmenbedingungen für die nächsten zwei Jahrzehnte noch nicht bekannt seien und auch die technologischen Entwicklungen so weit in die Zukunft nicht absehbar seien. Enthalten seien sowohl das Ziel, bis 2030 die Treibhausgase auf 55 Prozent gegenüber 1990 zu verringern, als auch das Bekenntnis zur Treibhausgasneutralität bis 2050. Allerdings heißt es nun nur noch, Deutschland werde dies als langfristiges Ziel "verfolgen".

Zahnloser Tiger?

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) nannte das Papier einen "zahnlosen Tiger". Das Klimaschutzziel der Bundesregierung für 2030 könne damit nicht verbindlich erreicht werden, "da jedwede Sanktionsmöglichkeit für diejenigen Sektoren und Branchen fehlt, die ihre Zwischenziele nicht erreichen", erklärte Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Hier verwies Fichtner auf die "gesetzliche Verbindlichkeit" und die drohenden Strafen aus Brüssel, sollte die Bundesrepublik ihre Reduktionsziele verfehlen. Es werde "in der Regierungspraxis" für Minister nicht leicht, gegen die Ziele zu verstoßen. Für die Ministerien für Bau, Verkehr und Landwirtschaft gebe es erstmals die Möglichkeit, CO2-Reduktionskontingente mit anderen Ressorts zu tauschen. Dies sei richtig, weil sich die technologischen Entwicklungen in den nächsten Jahren unterscheiden könnten, so Fichtner. Das System funktioniere allerdings auch nur, "wenn jemand einen Tauschpartner findet". Es sei "völlig klar, dass die Einsparsumme bei Emissionen am Ende gleich bleiben muss".

Der DUH-Bundesgeschäftsführer hatte auch kritisiert, dass die eigens eingerichtete Expertenkommission, die die Umsetzung des Klimaschutzplanes überwachen soll, "auf die Zuschauerbank versetzt" werden solle. Sie dürfe nur berichten und keine eigenen Vorschläge für weitere Klimaschutzmaßnahmen machen. Der BMU-Sprecher erklärte, dies diene gerade der Effizienz des Gesetzes. Daten würde bereits jedes Jahr das Umweltbundesamt bereitstellen, wenn es im März die Zahlen zu Treibhausgasen veröffentlicht. "Wenn wir dann merken, dass wir nicht auf Kurs sind, haben wir nicht die Zeit, lange Experten zu hören", so Fichtner. Deshalb hätten die Experten nur noch höchstens einen Monat Zeit für ihre Einschätzungen.

SPD soll "Notbremse" ziehen

Bei Twitter versprach der Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth: "Wir werden das Klimaschutzgesetz als Teil des Klimapaketes nicht abschwächen." Kanzleramtschef Helge Braun hatte im ZDF-Morgenmagazin erklärt: "Dieses Programm ist weit besser als das, was auch heute bekannt ist."

Kritik kam dagegen von der SPD-Linken Hilde Mattheis. "Wir brauchen mehr Ambitionen in jedem Sektor, keine unverbindlichen Absichtserklärungen", erklärte die Vorsitzende des Forums DL21 - Die Linke in der SPD bei Twitter. Ihre Partei solle "dringend die Notbremse ziehen".

Der Gesetzentwurf sende "verheerende industriepolitische Signale an alle Branchen, die die Weichen Richtung Energiewende gestellt haben", erklärte die Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), Simone Peter. Zudem sei die angesetzte Frist für die Stellungnahme von zwei Tagen "viel zu kurz". Peter kritisierte insbesondere den Austausch-Mechanismus bei der Emissionsminderung: "Wenn die einzusparende Menge an CO2 zwischen den Sektoren wie ein Schwarzer Peter hin- und hergeschoben werden kann und die einzelnen Ministerien nicht mehr die Verantwortung für die Einhaltung der Ziele in ihren Sektoren übernehmen müssen, wird Klimaschutz weiter als Verhandlungsmasse behandelt."

DJG/pso/smh

zurück zur Übersicht