Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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EZB uneins über Notwendigkeit eines "Maßnahmenpakets"

Erscheinungsdatum Website: 22.08.2019 19:20:03
Erscheinungsdatum Publikation: 23.08.2019

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FRANKFURT (Dow Jones)--Die Mitglieder des Rats der Europäischen Zentralbank (EZB) haben sich bei ihren Beratungen am 25. Juli 2019 bemüht, angesichts niedriger Inflationsraten und gesunkener Inflationserwartungen Handlungsfähigkeit zu demonstrieren, ohne übertriebene Sorgen über den Ausblick für die Euroraum-Volkswirtschaft zu erzeugen. Wie aus dem jetzt veröffentlichten Protokoll der Beratungen hervorgeht, gab es weitgehend Übereinstimmung darüber, dass die Geldpolitik für längere Zeit akkommodierend bleiben müsse. Ob der EZB-Rat zu diesem Zweck im September ein ganzes "Paket" an Maßnahmen verabschieden wird, geht aus dem Dokument jedoch nicht hervor.

Offenbar herrschte im EZB-Rat keine Einigkeit darüber, ob es erneut zu Nettoanleihekäufen kommen sollte. So wurde einerseits argumentiert, dass die Laufzeitprämie bei Anleihen mit langer Laufzeit schon seit einiger Zeit niedrig sei und dass das Risiko einer ungewollten Straffung der Finanzierungsbedingungen am kurzen Ende höher sei. Andererseits wurde ein Paket von Maßnahmen gefordert, die einander ergänzen und verstärken würden. Die Erfahrung zeige, dass beispielsweise eine Kombination von Zinssenkungen und Anleihekäufen wirksamer sei als eine Abfolge einzelner Maßnahmen. Allerdings ist in dem Protokoll immer nur von einem "möglichen Paket" die Rede.

Trotz der Uneinigkeit über konkrete Maßnahmen war sich der EZB-Rat offenbar in der Einschätzung einig, dass die "Symmetrie des mittelfristigen Inflationsziels" ein wichtiges Element bei der dauerhaften Annäherung an Preisstabilität sei. Allerdings gaben einige Mitglieder zu bedenken, dass die Einführung eines solchen symmetrischen Ziels - im Protokoll ist von einer Bestätigung die Rede - angesichts des offiziellen "Preisstabilitätsziels" von unter, aber nahe 2 Prozent seinerseits ein Element der Asymmetrie darstelle.

Auch sei es nicht sinnvoll, über Symmetrie zu reden, ohne das Niveau dieses Ziels zu diskutieren. Änderungen am Inflationsziel sollten zusammen mit einer Prüfung der allgemeinen geldpolitischen Strategie verbunden werden. Ein anderes Argument in der Diskussion lautete, dass eine Klarstellung der Symmetrie der Reaktionsfunktion der EZB durchaus vor einer späteren Prüfung der Strategie erfolgen könne.

In der geldpolitischen Erklärung hatte es geheißen: "Für den Fall, dass der mittelfristige Inflationsausblick weiterhin das Ziel verfehlt, ist der Rat in Übereinstimmung mit seinem Bekenntnis zur Symmetrie seines Inflationsziels zu handeln bereit." Laut Draghi sollte die Verwendung des Begriffs Symmetrie die Botschaft vermitteln, dass die EZB entschlossen gegen Abweichungen von Zielwert von knapp 2 Prozent in beide Richtungen vorgehen wird.

Der Rat hatte seine Geldpolitik im Juli unverändert gelassen, zugleich aber die Möglichkeit von Zinssenkungen erwähnt und zugesagt, Maßnahmen für eine umfangreiche Lockerung zu prüfen. Als Optionen wurden nicht nur Zinssenkungen, sondern auch eine Vergrößerung der Bilanz über neue Nettoankäufe von Anleihen und eine geänderte Zusammensetzung der Ankäufe genannt. Geprüft sollte außerdem werden, wie die Banken zumindest teilweise von den nachteiligen Nebenwirkungen des negativen Einlagenzinses entlastet werden könnten, zum Beispiel über ein System abgestufter Einlagenzinsen.

Im Rat herrschte nach Aussage des EZB-Präsidenten zwar Einigkeit über die Diagnose zu niedriger Inflationsraten und eines sich eintrübenden Ausblicks, doch nicht über die zu ergreifenden Maßnahmen. "Es gab eine breite Diskussion", sagte Draghi auf die Frage, ob die Entscheidung einstimmig gefallen sei. Wie oft bei geldpolitischen Paketen habe es unterschiedliche Ansichten zu einzelnen Teilen gegeben.

Eine Diskussion über konkrete Maßnahmen sollte erst im September stattfinden, wenn die Arbeitsgruppen des Eurosystems ihre Vorschläge gemacht hätten - zur Schärfung der Zins-Guidance, zu Milderungsmaßnahmen wegen des Negativzinses und zur Höhe und Zusammensetzung möglicher neuer Nettoanleihekäufe.

DJG/hab/apo

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