Märkte der Welt

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"Es gibt heute schon Engpässe"

Erscheinungsdatum Website: 24.04.2019 16:44:22
Erscheinungsdatum Publikation: 25.04.2019

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Warum Europa die ganze Wertschöpfungskette im Blick haben muss / Interview mit Dirk Harbecke, Rock Tech Lithium

FRANKFURT (NfA)--Die Elektromobilität ist weltweit im Kommen. Doch ist die Transformation so einfach, wie sie vielfach dargestellt wird? Machen die Pläne von Wirtschaftsminister Peter Altmaier Sinn, auf eine europäische Produktion der Batteriezellen zu setzen? Darüber haben wir uns mit Dirk Harbecke unterhalten, dem Chairman des Schweizer Bergbauunternehmens Rock Tech Lithium. Das Interview führte H. Jürgen Heinbuch.

Gibt es Lithium-Überkapazitäten?

Harbecke: Für 2019 gibt es genug Lithium, weil die Elektroautos noch nicht in großem Maßstab gebaut werden. Ab dem kommenden Jahr wird es keine Überkapazitäten mehr geben. Die Medien suggerieren, dass die Produktion einfach ist. Es gebe die großen Salzseen im Dreiländereck Bolivien-Chile-Argentinien. Das Lithium müsse einfach nur herausgezogen werden, heißt es. Aber Bolivien hat bislang überhaupt nichts gefördert, obwohl seit mehr als 15 Jahren daran gearbeitet wird.

Woran liegt das?

Das Problem ist der geringe Lithium-Gehalt in diesen Salzseen. Er liegt bei etwa 0,01%. Die Förderung ist äußerst aufwändig. Man muss die Salzlake aus 300 bis 400 m Tiefe nach oben holen. Und dann ist es hoch komplex, aus dieser Masse reines Lithium von 99,99% herzustellen. Dafür sind große Chemiefabriken nötig. Zudem ist die benötigte Lake immer in Bewegung, was dazu führt, dass die Lithiumkonzentration schwankt und dies die Verarbeitung nochmals erschwert.

Bolivien will die Förderung nicht in die Hand ausländischer Unternehmen legen. Kann das Land dies überhaupt finanzieren?

Nein, das wird nicht möglich sein. La Paz ist eine enge Kooperation mit China eingegangen. Als Vorreiter in der Batteriezellproduktion hängen die dortigen Unternehmen vom Lithium ab. Mit staatlicher Unterstützung sind die Chinesen mittlerweile stark engagiert. Allerdings hatte Bolivien noch eine separate "Ausschreibung" gestartet, über die nun auch die deutsche Firma K-Utech involviert ist. Eine ihrer Aufgaben ist es, den Prozess zu definieren, wie das Lithium aus der Lake gewonnen werden kann. Medienmeldungen, nach denen Deutschland nun Lithium in großen Mengen aus Bolivien beziehen wird, sind völlig überzogen.

Es gibt demnächst also eher einen Engpass statt eines Überangebots?

Vor zwei Jahren war man noch der Meinung, es werde niemals zu einer Knappheit kommen. Inzwischen wurde aber erkannt, dass man den Rohstoff nicht ganz so einfach aus den Salzseen herausziehen kann. Es gibt noch zwei weitere Gründe für die Skepsis. Erstens liegen die Vorkommen zumeist in politisch nicht wirklich stabilen Ländern. Wenn - wie es in Argentinien passiert ist - die Steuern angehoben werden, sind die Projekte recht schnell unrentabel. Der zweite Punkt ist der Umweltschutz. Um das Lithium aus der Lake zu waschen, benötigt man unglaubliche Mengen Wasser. In Chile haben viele Kommunen bereits gegen den "Raubbau" am Grundwasser geklagt - und viele Projekte wurden bereits wieder gestoppt.

Wie kommt man aus dieser "Falle" heraus?

Ein gutes Beispiel ist der VW-Konzern. Schon Ende 2017 haben die Wolfsburger ein eigenes Forschungszentrum aufgebaut, um die gesamte Wertschöpfungskette zu analysieren - vom Rohstoff bis zum fertigen Batterieblock. Dabei sind sie zu dem Schluss gekommen, dass sie sich auf Hard-Rock-Lithium konzentrieren müssen. Deshalb ist VW eine Kooperation mit dem chinesischen Konzern Gangfang eingegangen, der Zugriff auf das australische Lithium besitzt.

Und das Hard-Rock-Lithium ist leichter abzubauen?

Nicht in jedem Fall. Auch in Europa gibt es Lithiumvorkommen, unter anderem in Portugal, aber die Struktur erschwert den Abbau. In Australien wie auch bei unserer Mine in Kanada gibt es große Pegmatite, deren Spitzen deutlich erkennbar sind. Sie reichen teils mehrere hundert Meter in die Tiefe. In diesem Felsblöcken finden sich Spodumen-Kristalle und diese beinhalten das Lithium in Konzentrationen bis zu 3 oder 4%. Und diese sind leichter in das Endprodukt zu verarbeiten als 0,01-prozentiges Lithium.

Ist die Produktion kostenintensiver?

Bis vor sechs Monaten wurde vorrangig Lithiumkarbonat in den Batterien verarbeitet. Dies konnte aus den Salzseen billiger produziert werden als aus dem Hard-Rock. Das hängt mit dem Prozessverfahren, aber auch vor allem damit zusammen, dass die Strukturen schon seit Jahren gelegt sind. Mit dem Ausbau der Lagerstätten erhöhen sich aber auch hier die Preise. Bei den bislang geringeren Mengen kam man in der Produktion auf etwa 3.000 US-Dollar pro Tonne. Diese Preise liegen nun bei 5.500 bis 6.000 Dollar und damit in etwa auf dem Hard-Rock-Niveau.

Was hat sich geändert?

Der Trend geht zum Lithiumhydroxid, weil es für eine höherer Dichte und Energieleistung in den Batterien sorgt. Im Fall der Salzseen muss das Lithium zunächst in Karbonat und anschließend für etwa 1.000 Dollar die Tonne in Hydroxid verarbeitet werden. Und diese Weiterverarbeitung ist beim Hard-Rock-Rohstoff einfacher. Wir stehen noch am Anfang, sodass es noch keine belastbaren Zahlen gibt, aber aller Voraussicht nach wird Hard-Rock-Hydroxid billiger sein.

Kommen wir zu den Batteriezellen. Wirtschaftsminister Altmaier pocht auf eine Produktion in Europa. Ist das sinnvoll?

Für die deutsche Autoindustrie ist es sehr wichtig, einen direkten Zugriff auf die Produktion zu haben. Das wurde inzwischen verstanden. Neben VW haben ja auch BMW und Daimler eigene Forschungszentren ins Leben gerufen. Gerade erst hat Daimler bekanntgegeben, in Untertürkheim eine Batterieproduktion aufzubauen. In der Regel bedeutet dies aber, dass die Konzerne die Batteriezellen in Asien einkaufen und dann zu den für die Fahrzeuge benötigten Blöcken zusammenfügen - und auch das ist nicht unkompliziert. Doch die Produktion der Batteriezellen findet eben vorrangig in Asien statt.

Und das bedeutet?

Die Autobauer waren lange der Meinung - und einige sind es vermutlich noch immer -, dass eine Batteriezelle ein einfaches und austauschbares Produkt ist. Doch so einfach ist das nicht. Zunächst einmal gibt es schon heute Engpässe bei den Zellen. Kia, aber auch Audi und Porsche können sich nicht so viele Zellen besorgen, wie für die angestrebte Produktion nötig sind.

Also gibt es derzeit zu viel Lithium, aber zu wenige Batteriezellen?

Momentan gibt es ausreichend Lithium, weil es zu wenige Batterien gibt. Die Kfz-Industrie hat die Batteriehersteller quasi überrascht. Der Boom der Elektroautos war vor ein, zwei Jahren so nicht abzusehen.

Ist es denn schon ein Boom? Man ist ja noch weit von den früheren Vorstellungen entfernt.

Aber im Vergleich zu den Aussagen, dass man in Europa überhaupt keine Elektroautos braucht, kann man durchaus von einem Boom sprechen. VW hat angekündigt 50 Mrd Euro zu investieren und will schon Ende des Jahres mit Modellen auf den Markt treten, die günstiger sein sollen als der Golf-Diesel.

Ist die abhängig vom asiatischen Markt ein Problem für die deutschen Autokonzerne?

Ja - und zwar ein riesiges. Zunächst einmal müssen die Zellen überhaupt geliefert werden. Wenn es - wie es derzeit der Fall ist - Engpässe geben sollte, ist davon auszugehen, dass vor allem die chinesischen Hersteller zunächst einmal die heimischen Abnehmer beliefern. CATL hat mittlerweile weltweit Lieferverträge geschlossen. Aber: Hinter vorgehaltener Hand wird gemunkelt, dass sich die Firma erst 25% des Lithiums gesichert habe, dass sie in den kommenden drei bis vier Jahren benötigen wird. Die deutschen Autobauer müssen unabhängiger werden. Das wird aber dauern - und das ist noch nicht alles.

Es gibt noch ein weiteres Problem?

Die Qualität der Produkte! Wenn man sich einen E-Porsche kauft, will man auch einen Porsche fahren. Die Batteriezellen haben aber unterschiedliche Qualitäten. Tier-1-Batterien produzieren derzeit Panasonic, Samsung und LG. Aus China hingegen kommen nur Tier-2-Produkte - und ein deutscher Autobauer kann eigentlich keine dieser mittelmäßigen Batterien in seinen Fahrzeugen verbauen.

Wo liegen deren Schwächen?

Einmal in der Reichweite, aber auch in der Geschwindigkeit des Ladevorgangs und im Gewicht. Eine größere Dichte bedeutet einen kleineren Batterieblock und damit ein leichteres Fahrzeug.

Über welchen Zeithorizont sprechen wir mit Blick auf eine Zellproduktion in Europa?

Lassen Sie mich etwas weiter ausholen. Volkswagen hat prophezeit, dass man in einigen Jahren etwa 150 GWh für die Elektroautos benötige. Die Giga-Factory von Tesla, so groß wie 60 Fußballfelder, produziert derzeit rund 25 GWh. Dies bedeutet: Allein VW braucht sechs dieser Giga-Factories, um die erwartete Zahl an Fahrzeugen produzieren zu können. Das kann man in Europa gar nicht aufsetzen. Dies bedeutet, dass man sich immer in einer gewissen Abhängigkeit von Asien befinden. Sobald ein eigenes Know-how aufgebaut ist, sollte diese auch kein Problem mehr darstellen.

Die Basis dafür wird gerade geschaffen?

Eine europäische Batteriezellproduktion wird von Konsortien aufgebaut - unter Beteiligung der Autobauer. VW kooperiert beispielsweise mit der schwedischen Northvolt. Das von den früheren Tesla-Managern Peter Carlsson und Paolo Cerruti gegründete Unternehmen produziert zwar noch keine Batteriezellen, ist aber auf einem guten Weg. Es geht darum, dass durchaus in Europa vorhandene Know-how zu bündeln. So ist BASF einer der weltgrößten Produzenten von Kathoden, die in den Batterien gebraucht werden. Die Kritik an den Plänen Altmaiers entzündet sich ja vor allem an der geringen Wertschöpfung der Zellproduktion. Man muss sich auf die Teile konzentrieren: Lithium, Chemikalien, Kathoden. Da liegen die wesentlichen Hebel. Um auf das Zeitfenster zurückzukommen: Ich glaube, dass die erste von deutschen Unternehmen geführte - wenn auch recht kleine - Batteriezellproduktion in zwei bis drei Jahren ihre Arbeit aufnehmen wird.

Und wer wird sie aufbauen?

Ich bin ziemlich sicher, dass Volkswagen beteiligt sein wird. Ich nenne VW so häufig, weil es unter CEO Herbert Diess das mit Abstand am stärksten committete Autounternehmen mit Blick auf die Elektromobilität ist - und zwar weltweit, wenn man die Chinesen und Tesla einmal außer acht lässt. Diess wird ja sogar eine Kamikazehaltung vorgeworfen, aber ich denke, dass er auf das richtige Pferd setzt. Man muss von Anfang an dabei sein, und die herkömmlichen Antriebe werden ja nach wie vor gebaut. Es handelt sich um einen Prozess, der sich über zwanzig bis dreißig Jahre hinzieht.

Die Parallelstrukturen kosten die Autobauer eine ganze Stange Geld...

Aber die Produktion wird billiger. Analysen besagen, dass die Produktion eines Golf derzeit etwa 24.000 Euro kostet. Ein neuer, rein elektrischer E-Golf liegt danach bei nur 16.000. Das dürfte die Marge deutlich verbessern. Aber natürlich sind die Investitionen zunächst einmal enorm.

Wie lautet Ihr Fazit?

Wir brauchen mehr Lithium - und dafür sind hohe Investitionen vonnöten. Um die Mengen fördern zu können, die in vier bis fünf Jahren gebraucht werden, sind in den kommenden beiden Jahren Investitionen von weltweit rund 25 Mrd Dollar nötig. Diese Summe bezieht sich nur auf die bisherigen Ankündigungen der Autobauer - und deren Volumen steigt nahezu von Woche zu Woche. Diese 25 Mrd sind in einer Industrie, die wegen der geringen Größe momentan etwa 4 Mrd Umsätze umfasst, nicht zu finanzieren. Da muss einiges passieren, und auch hier sind die Autobauer gefragt. Sie haben die Problematik bislang auf ihre Zulieferer abgeschoben, aber die mauern. Also müssen sie selbst tätig werden. In diesem Zusammenhang ist die VW-Gangfang-Kooperation zu sehen. Man hat erkannt, dass es sich um ein Kernelement der eigenen Strategie handelt.

Zum Gesprächspartner:

Dirk Harbecke verfügt über mehr als zwanzig Jahre Erfahrung als Manager, Unternehmer und Investor mit internationaler Erfahrung in Afrika, China, dem Nahen Osten, Europa und den Vereinigten Staaten. Er arbeitete bei der Boston Consulting Group, wo er die Errichtung neuer Finanzdienstleistungsinstitute in Westeuropa und im Nahen Osten plante. Zuletzt war er Gründer und CEO der ADC African Development Corporation, einer börsennotierten Investmentgesellschaft mit starker Präsenz im Bankensektor in Botswana, Mosambik, Tansania, Sambia, Simbabwe und Nigeria.

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