Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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Regierung halbiert Wachstumsprognose auf 0,5 Prozent

Erscheinungsdatum Website: 17.04.2019 17:55:02
Erscheinungsdatum Publikation: 18.04.2019

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BERLIN (Dow Jones)--Die Bundesregierung hat angesichts des deutlich schwächeren Konjunkturverlaufs ihre Wachstumsprognose für dieses Jahr halbiert. Die Ökonomen von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) erwarten nun für 2019 nur noch eine Zunahme des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 0,5 Prozent. Noch im Januar waren sie von 1,0 Prozent ausgegangen. Für 2020 rechnen sie jetzt mit 1,5 Prozent Wachstum und damit laut Altmaier um 0,1 Punkte weniger als bisher.

"Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland hat sich seit Mitte des vergangenen Jahres abgekühlt", konstatierte Altmaier. "Die gute Nachricht ist - wir werden diese Schwächephase perspektivisch wieder überwinden." Der Arbeitsmarkt entwickle sich ebenso wie die Löhne positiv, und das führe durch die Entlastungen bei Steuern und Abgaben zu steigenden Einkommen.

In der Prognose erwartet die Regierung ein Plus der privaten Konsumausgaben von 1,2 Prozent 2019 und 1,6 Prozent 2020. Die Ausrüstungsinvestitionen sollen um 2,0 bzw 3,0 Prozent steigen.

"Dennoch muss uns die aktuelle Schwächephase der deutschen Wirtschaft ein Weckruf sein", sagte Altmaier. Der Wirtschaftsminister forderte, die Wettbewerbsbedingungen und steuerlichen Rahmenbedingungen für die Unternehmen zu verbessern und unter anderem auch zügig eine steuerliche Forschungsförderung einzuführen. "Wir sollten hierbei keine Zeit verschwenden."

Altmaier will Moratorium für Wirtschaftsbelastung

Bei einer Pressekonferenz in Berlin verlangte der CDU-Politiker konkrete Maßnahmen, um die Konjunktur zu stützen. "Wir müssen darüber reden, wie wir dieses Wachstum über das normale Maß hinaus stärken können", sagte er. Konkret forderte Altmaier ein Moratorium für Maßnahmen, die die Wirtschaft belasten, strukturelle Entlastungen von Bürokratie und Verbesserungen bei der Unternehmensbesteuerung. Das Moratorium, über das er jetzt mit einzelnen Kabinettskollegen sprechen wolle, solle andauern, bis die Schwächephase der Wirtschaft überwunden sei. Konjunkturprogramme, die konsumtive Ausgaben anreizten, seien hingegen nicht nötig.

Inzwischen lauten die Vorhersagen aller Ökonomen grundsätzlich auf geringere Werte als noch zu Jahresbeginn. Die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute sehen das deutsche Wachstum 2019 inzwischen ebenso bei 0,8 Prozent wie die so genannten "fünf Wirtschaftsweisen". Die privaten Banken haben ein Plus von lediglich 0,7 Prozent vorausgesagt. Altmaier betonte, die Regierung liege "am unteren Rand des Prognosespektrums". Die neue Prognose sei aber von den Instituten angesichts neuer Daten "zertifiziert" worden. Die Erholung werde erst im zweiten Halbjahr spürbar werden.

Die Wirtschaft mahnte angesichts der neuen Zahlen zur Eile. "Konjunkturell sind die besten Zeiten vorbei. Jetzt sollte die Bundesregierung Investitionsanreize für Klimaschutz setzen und eine echte Steuerreform in Angriff nehmen", erklärte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Joachim Lang. "Die Politik darf keine weitere Zeit verlieren." Die Industrie erwarte für 2019 eine stagnierende Produktion im Verarbeitenden Gewerbe in Deutschland. Teilhabe und Wohlstand entstünden aber nicht durch Umverteilen, "sondern durch Investitionen und Wachstum".

"Hochkonjunktur ist vorbei"

Das Wirtschaftsforum der SPD forderte von der Regierung ein wirtschaftspolitisches Zukunftskonzept und Wachstumsimpulse für den Wirtschaftsstandort. "Die Konjunkturprognosen werden fast im Wochentakt nach unten revidiert. Die Hochkonjunktur ist vorbei", sagte der Präsident des Verbands, Michael Frenzel. "Die Bundesregierung muss jetzt Antworten liefern: Wie schließen wir zu den Technologieführern bei Künstlicher Intelligenz auf? Wie bringen wir die Mobilitätswende auf den Weg? Und wie machen wir die Energiewende zu einem wirtschaftlichen Erfolg?"

Der wissenschaftliche Direktor des Konjunkturforschungsinstituts IMK, Sebastian Dullien, erklärte, die Abwärtsrevision sei "längst nicht so dramatisch, wie sich die Halbierung des geschätzten BIP-Wachstums für 2019 zunächst anhört". Die Abwärtsrevision gehe vor allem auf eine pessimistischere Einschätzung des 1. Quartals 2019 zurück. "Das 4. Quartal hat enttäuscht, die Daten, die wir bisher haben (Industrieproduktion, Umfragen unter Unternehmen, Auftragseingänge) deuten auf ein ebenfalls schwaches 1. Quartal", schrieb Dullien im Kurznachrichtendienst Twitter.

Kritik kam aus der Opposition. Grünen-Fraktionsvize Anja Hajduk monierte, die Regierung müsse "erst drei Mal eine Wachstumsprognose nach unten korrigieren, um zu erkennen, dass sie endlich handeln muss". Leider habe sie viel zu lange gewartet. "Peter Altmaier stellt Steuerentlastungen für Unternehmen ins Schaufenster, obwohl es im aktuellen Haushalt kaum noch Spielräume dafür gibt", kritisierte sie. Die Regierung solle sich angesichts knapperer Kassen auf Prioritäten einigen, was den Koalitionspartnern aber angesichts eines Dauerstreits "kaum zuzutrauen" sei.

Folgen für Steuereinnahmen

Wegen der Konjunkturschwäche und neuer Steuergesetze erwartet Unions-Chefhaushälter Eckhardt Rehberg (CDU) nun auch eine drastische Verschlechterung der Steuerschätzung für den Bund. "Gegenüber der Steuerschätzung vom Oktober wird der Bund bei der neuen Steuerschätzung erhebliche Mindereinnahmen in der Größenordnung eines niedrigeren zweistelligen jährlichen Milliardenbetrags hinnehmen müssen", sagte er der Rheinischen Post. Altmaiers neue Prognose ist die Grundlage der Berechnungen der Steuerschätzer, die vom 7. bis zum 9. Mai in Kiel zusammenkommen.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat sich allerdings bereits im Vorfeld der neuen Prognose mehrfach gegen Konjunkturprogramme ausgesprochen. "Ein langsameres Wachstum bleibt immer noch ein Wachstum", sagte er am Dienstag im ZDF-"heute-journal". Unter anderem verwies er auf eine weiter steigende Tendenz der Beschäftigung. Daher sei es nicht die Zeit, "davon abzugehen, dass wir in Deutschland weiter darauf bestehen, dass wir keine neuen Schulden machen." Auch die Steuereinnahmen nähmen weiter zu. "Sie steigen ein wenig weniger, als viele erwartet haben, aber es bleiben steigende Steuereinnahmen."

DJG/ank/smh

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