Euro Intern

"Euro Intern" enthält neben umfassenden Informationen zur Geldpolitik in der Eurozone und der EU auch wichtige Hintergrundinfos und Analysen mit Charts von EZB-Beobachtern.

Ex-Duisenberg-Berater fordert EZB zur Strategieprüfung auf

Erscheinungsdatum Website: 12.04.2019 17:30:03
Erscheinungsdatum Publikation: 15.04.2019

zurück zur Übersicht

FRANKFURT (Dow Jones)--Ein ehemaliger Berater des früheren EZB-Präsidenten Wim Duisenberg (1998 bis 2003) hat die Europäische Zentralbank dazu aufgefordert, ihre Strategie zu überprüfen. Lex Hoogduin, Professor an der State University of Groningen, sagte in Frankfurt, der Wechsel des EZB-Präsidenten biete eine gute Gelegenheit hierzu. Außerdem würde der EZB ein Präsident gut tun, der nicht aus dem Innenleben der Zentralbank kommt. Auch Namensvorschläge hatte der Niederländer parat.

Hoogduin, der außerdem Chairman des Clearinghauses LCH Clearnet ist, sagte: "Was wir brauchen, ist eine umfassende formale Überprüfung der Strategie und der Instrumente. Das ist das, was der nächste Präsident oder die nächste Präsidentin als erstes tun sollte." Seine Namensvorschläge bezogen sich dann allerdings ausschließlich auf Männer: Den Portugiesen Vitor Gaspar und den Spanier Jose Vinals. Beide wären einerseits in der Lage, die EZB zu führen und hätten andererseits ausreichend Abstand zu ihr, meinte Hoogduin.

Sein Urteil über die Arbeit der EZB fällt zwiespältig aus: Gut gefallen ihm naturgemäß die ersten Jahre, in denen die EZB mit ihrer Zweisäulenstrategie aus monetärer und makroökonomischer Analyse einen innovativen Ansatz wählte und in denen Preisstabilität mit einer Inflationsrate von unter 2 Prozent definiert war.

Der ehemalige Duisenberg-Berater erinnert sich, dass sich die EZB wegen dieses asymmetrischen "Inflationsziels" - damals betrieb die EZB nach seinem Empfinden noch kein Inflation Targeting - zunehmend Fragen aus dem angelsächsischen Ausland gegenüber sah. 2003 habe sich die EZB dann entschlossen, klarzustellen, dass für die EZB Preisstabilität Inflation von "nahe, aber unter 2 Prozent" bedeutet.

Dabei handelte es sich allerdings um einen Strategiewechsel, dessen Tragweite vor den billionenschweren Anleihekäufen des Eurosystems nicht unmittelbar einsichtig war. Heute begründet die EZB ihre unkonventionelle Politik mit der Verfehlung dieses Inflationsziels. Hoogduin gesteht der EZB und besonders Draghi zu, den Euro gerettet zu haben. "Der Euro hat die schlimmste Finanzkrise seit der Großen Depression überlebt. Das hätte ich 1998 nicht für möglich gehalten", sagte er.

Ansonsten lässt der ehemalige EZB-Mitarbeiter nicht viel Gutes an der EZB von heute: Der Zusammenhalt innerhalb des Rats sei nicht mehr so gut wie früher, sagt er zum Beispiel. (Dem widerspricht der ebenfalls anwesende Ignazio Angeloni allerdings. Gemessen an der Schwierigkeit der Aufgaben und der eingesetzten unkonventionellen Instrumente sei die Einigkeit in dem Gremium bemerkenswert gewesen, sagte er. Angeloni war ebenso wie Hoogduin zum Start der EZB dabei, er hat dort allerdings bis vor kurzen gearbeitet, zuletzt in der Bankenaufsicht SSM.)

Hoogduin wirft der EZB aber auch vor, die Märkte zu verzerren und für den Fall einer neuen Rezession kein "angemessenes" Werkzeug mehr zu haben. Außerdem versteht die EZB nach seiner Aussage auch den Inflationsprozess nicht mehr und überschätzt mit ihren Prognosen permanent die künftige Inflation. Ihre Politik sei ineffizienter geworden.

"Trotz Wertpapierankäufen von 2.600 Milliarden Euro, anderen unkonventionellen Maßnahmen und Nullzinsen hat die Geldpolitik keinen sichtbaren Einfluss auf die Inflation", lautet sein Urteil. Und trotz der niedrigen Inflation arbeite die Wirtschaft oberhalb ihrer Kapazität.

Vor diesem Hintergrund schlägt Hoogduin der EZB vor, ihre Strategie und ihre Instrumente zu überprüfen. Der Niederländer findet es menschlich verständlich, dass es EZB-Präsidenten und anderen EZB-Offiziellen schwer fällt, ihre Politik nicht zu verteidigen. Deshalb ist er dafür, dass dies künftig die neuen EZB-Präsidenten machen. Zudem sollten EZB-Präsidenten künftig möglichst von außen kommen.

DJG/hab/bam/15.04.2019

zurück zur Übersicht