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EuGH-Gutachter: Justizreform in Polen untergräbt richterliche Unabhängigkeit

Erscheinungsdatum Website: 11.04.2019 13:05:45
Erscheinungsdatum Publikation: 12.04.2019

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WARSCHAU (AFP)--Der einflussreiche Rechtsgutachter am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg, Evgeni Tanchev, hält die polnische Justizreform zum Obersten Gericht für rechtswidrig. Mit der Herabsetzung des Ruhestandsalters für die dortigen Richter auf 65 Jahre habe Polen die richterliche Unabhängigkeit untergraben, erklärte Tanchev am Donnerstag in seinem Schlussantrag zu dem Verfahren. Der EuGH ist daran nicht gebunden, folgt den Gutachten aber in den allermeisten Fällen (Az: C-619/18).

Die EU-Kommission geht seit Anfang 2016 wegen mehrerer Justizreformen gegen Polen vor. Sie wirft der nationalkonservativen Regierung in Warschau vor, die Unabhängigkeit der Justiz zu beschneiden und die Gewaltenteilung zu untergraben. Inzwischen laufen drei Vertragsverletzungsverfahren gegen das Land.

Zwei Fälle liegen dem EuGH zur Entscheidung vor - dazu zählt auch derjenige zur Herabsetzung des Ruhestandsalters am Obersten Gericht. Nach einer Eilentscheidung des EuGH vom Oktober 2018 ist diese Reform der Pensionsregelung bereits bis auf Weiteres außer Kraft gesetzt.

Im Hauptverfahren betonte nun der bulgarische Jurist Tanchev, die Nichtabsetzbarkeit von Richtern sei "eine der wesentlichen Garantien" für deren Unabhängigkeit. Eine vorzeitige Entlassung dürfe es nur aus vorab festgelegten Gründen geben, etwa bei Dienstunfähigkeit oder auf Antrag eines Richters selbst.

Polen habe diesen Grundsatz des EU-Rechts nicht eingehalten. Nach dem polnischen Gesetz hätten 27 von 72 Richtern auf einen Schlag in den Ruhestand gehen müssen. Dadurch sei auch das öffentliche Vertrauen in das Oberste Gericht beschädigt worden.

Nach früherem polnischen Recht konnten die Richter am Obersten Gericht auf Antrag über ihren 65. Geburtstag hinaus arbeiten, wenn der Präsident Polens, derzeit Andrzej Duda, dies genehmigt. Nach Überzeugung Tanchevs ist auch diese Regelung nicht mit EU-Recht vereinbar, weil eine Ablehnung des Präsidenten keiner gerichtlichen Kontrolle unterliegt.

ost/12.4.2019

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