Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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Commerzbank: Orphanides-Regel spricht gegen EZB-Zinserhöhung 2019

Erscheinungsdatum Website: 18.02.2019 17:55:02
Erscheinungsdatum Publikation: 19.02.2019

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FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) wird ihre Zinsen nach Einschätzung der Commerzbank in diesem Jahr nicht mehr anheben. Dagegen spricht laut Commerzbank eine Regel, mit der sich frühere Aktionen der EZB sehr gut nachvollziehen lassen, und die das frühere zyprische EZB-Ratsmitglied Athanasios Orphanides entwickelt hat. Die EZB hat kürzlich selbst auf die Nützlichkeit dieser so genannten Orphanides-Regel in einem Aufsatz hingewiesen. Allerdings erschien das Papier in der Reihe der Occassional Papers, deren Inhalt sich die EZB nicht ausdrücklich zu eigen macht.

Regeln wie besagte Orphanides-Regel oder die Taylor-Regeln schreiben Zentralbanken kein bestimmtes Handeln vor, sondern sie versuchen das Handeln von Zentralbanken anhand bestimmter Kriterien zu beschreiben. Athanasios Orphanides hat sich in seiner akademischen Karriere, die sich vor allem in den USA abspielte, viel mit der Taylor-Regel, befasst, die ursprünglich das Handeln der US-Notenbank beschreiben soll. Orphanides stieß sich dabei an der prominenten Rolle, die in diesen Regeln nicht beobachtbare Größen wie beispielsweise die Output-Lücke spielen.

Die Output-Lücke ist ein Maß für die Auslastung der gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten. Ist die Lücke positiv, sind die Kapazitäten unterausgelastet. Eine lockere Geldpolitik kann zur Schließung der Lücke beitragen. Das Problem ist, dass Output-Lücken stark und auch im Nachhinein revidiert werden.

2003 stellte Orphanides eine Regel vor, die weitgehend auf beobachtbaren Größen basierte. Die Orphanides-Regel verknüpft die Änderung des Leitzinses der EZB mit Abweichungen der einjährigen Inflationsprognose vom Inflationsziel der EZB und Abweichungen der einjährigen Prognose des realen BIP-Wachstums vom Wachstum des Produktionspotenzials.

Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert weist darauf hin, dass sich mit der Orphanides-Regel alle Aktionen der EZB erklären lassen, sogar die heute sehr umstrittenen zwei Zinserhöhungen des Jahres 2011. Setzt man Inflations- und Wachstumserwartungen in die Gleichung ein, sollte sich daraus eine gut begründete Prognose für künftige EZB-Handlungen ableiten lassen.

Schubert hat das getan. Er schreibt in einem Kommentar: "Die Orphanides-Regel spricht gegen eine Fortsetzung (des Ausstiegs aus der sehr lockeren Geldpolitik), denn basierend auf unseren Wachstums- und Inflationsprognosen wird der Orphanides-Zins im Verlauf des Jahres sogar in den negativen Bereich rutschen." Dies liege an den unbefriedigenden Aussichten für die Inflation, während die Wachstumsprognose für sich genommen noch für eine etwas weniger expansive Geldpolitik spreche, da für die kommenden Quartale wieder mit einer etwas höheren Wachstumsdynamik zu rechnen sei.

Angenommen, die EZB-Prognosen entsprechen jenen der Commerzbank - neue kommen zur Ratssitzung am 7. März heraus - könnte die EZB ihre Forward Guidance zum künftigen Zinskurs schon im März ändern. Allerdings ist das nicht sicher, denn laut Schubert gibt die Orphanides-Regel nur Auskunft über die Richtung der Geldpolitik, nicht über den Zeitpunkt einer Änderung.

Die Commerzbank jedenfalls erwartet, dass die EZB im März mitteilen wird, dass die Zinsen "über den Winter 2019/20" unverändert bleiben dürfte, Bisher sagt sie, dass das "über den Sommer 2019" der Fall sein werde. Die Commerzbank erwartet außerdem, dass die EZB im März neue langfristige Refinanzierungsgeschäfte (LTRO) ankündigen wird.

DJG/hab/mgo

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