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Osteuropäische Länder wegen Huawei in der Zwickmühle

Erscheinungsdatum Website: 11.02.2019 13:40:06
Erscheinungsdatum Publikation: 12.02.2019

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BRÜSSEL (Dow Jones)--Die Ächtung des chinesischen Telekomausrüsters Huawei durch die USA führt vor allem Europas östliche Länder in die Zwickmühle. Deren Spitzenpolitiker ließen sich von Beijing hofieren. Mit Washington wollen sie es sich aber auch nicht verderben.

In Tschechien zum Beispiel existieren zwei Lager. Der Ministerpräsident will über Restriktionen gegen Huawei nachdenken. Der Staatspräsident hingegen begrüßt die Chinesen. Sicherheitsbedenken stehen gegen wirtschaftliche Interessen.

Diese Woche startet US-Außenminister Mike Pompeo seine Europareise. Sie führt ihn in eine Region, in der sich schon seit geraumer Zeit kein hochrangiger Regierungsvertreter der USA mehr blicken ließ.

Der chinesische Premierminister hingegen traf sich seit 2012 jedes Jahr mit nahezu jedem Regierungschef Zentraleuropas und entlang der östlichen Flanke. 2016 verbrachte er sogar drei Tage in Prag, besichtigte Burgen und Schlösser, trank Pilsner mit Staatspräsident Milos Zeman. Der ist nun einer der eifrigsten Fürsprecher von Huawei in Europa.

Polens Vertreter vollführen ebenfalls einen Drahtseilakt. Sie haben ihren amerikanischen Amtskollegen versichert, dass sie Huawei Grenzen aufzeigen werden. Andererseits wollen sie alles vermeiden, was China verärgern könnte. Die Regierungen der Slowakei und von Ungarn haben sich bereits entschieden. Sie stehen an der Seite von Huawei.

"Die USA haben es lange versäumt, mehr Präsenz in dieser Region zu zeigen. Dieses Vakuum wird nun gefüllt", hörte man zuletzt aus dem Weißen Haus.

Die USA befürchten, dass Huawei seine Technologie zur Spionage im Dienste Beijings missbrauchen könnte. Huawei sagt, so etwas habe man nie getan, und man denke auch nicht daran.

In der Causa Huawei wollte der US-Botschafter den polnischen Ministerpräsident Mateusz Morawiecki auf Washingtons Linie einschwören. Zwei Beobachter des Gesprächs berichteten anschließend, es sei bei der vagen Zusicherung geblieben, dass Polen Huawei an die kurze Leine nehmen wolle.

Polen hat einen Angestellten von Huawei festgenommen und wirft ihm Spionage für Beijing vor, was dieser jedoch bestreitet. Huawei hat ihn dennoch gefeuert, versicherte jedoch gleichzeitig, dass der Vorwurf nicht zu seinem Tätigkeitsprofil im Unternehmen passe.

Einige polnische Offizielle bedauern bereits, dass sie sich vorschnell auf die Seite Washingtons geschlagen haben und sind nun besorgt wegen möglichen Belastungen des chinesisch-polnischen Verhältnisses. "Polen sitzt zwischen den Stühlen", beschreibt es ein Berater von Ministerpräsident Morawiecki.

Vom US-Markt wurde Huawei bereits weitgehend verbannt. Von Europa erwartet Washington das gleiche. Viele europäische Länder, darunter Großbritannien, Deutschland und Polen, haben es jedoch zugelassen, dass Huawei als Telekomausrüster mittlerweile eine Schlüsselposition einnimmt. Laut dem Research-Unternehmen Dell'Oro Group hat Huawei in Europa einen Anteil von 31% am Branchenumsatz und liegt damit vor Ericsson mit 29 und Nokia mit 21%.

Europa steht auch deshalb im Fokus, weil 5G zum Schlüssel für den technologischen Fortschritt werden soll. Das reicht vom autonomen Fahren bis zur vernetzten Produktion - Risiken für die Cybersicherheit inklusive.

Im Osten Europas sehen Regierungen ihre Chance gekommen, gerade jetzt bei Handel und Investitionen von China zu profitieren. Der slowakische Premierminister sagte kürzlich, er sehe keine Bedrohung für die Sicherheit durch Huawei. Ähnlich äußerte sich die Regierung von Ungarn, wo Huawei beim Netzaufbau hilft.

US-Vertreter planen, ihre Bedenken gegen den Konzern auf breiter europäischer Ebene vorzutragen. Im Zentrum stehen zwei Großveranstaltungen: die Münchner Sicherheitskonferenz und der Mobile World Congress (MWC) in Barcelona. Beide finden noch im Februar statt.

Spitzenmanager von Huawei fürchten den Präzedenzfall im östlichen Europa, der zum Vorbild für ganz Europa werden könnte. "Wir werden den Kampf um diesen Markt nicht aufgeben, gerade weil er relativ klein ist", erklärte Huaweis Regionaldirektor für Öffentlichkeitsarbeit, Austin Zhang, unlängst bei einem Pressetermin in Warschau.

Besonders kompliziert verlaufen die Fronten in Tschechien. Kurz vor Weihnachten warnte das tschechische Amt für Cyber- und Informationssicherheit staatliche Institutionen davor, die Technologie von Huawei zu nutzen. Da gibt es nur ein Problem: Staatspräsident Zeman ist ein großer Unterstützer von Huawei. Obwohl sein Amt eher zeremonieller Natur ist, hat sein Wort Gewicht. Zeman warf der Sicherheitsbehörde anti-chinesischen Rassismus vor und nannte die US-Beschuldigungen hysterisch.

Seit Jahren wird Zeman von Chinas politischer Führung umgarnt. Bei seinem Besuch 2016 kündigte Chinas Staatspräsident Xi Jinping eine Welle von Investitionen an. Der große Geldsegen ist bislang zwar ausgeblieben, aber zumindest steckte ein staatsnahes chinesisches Energieunternehmen Geld in Prags führenden Fußballverein. Diese Unterstützung rettete den Club vor dem nahen Bankrott und half bei der Verpflichtung neuer Stars. Zeman war darüber sehr erfreut.

Manche unter Tschechiens einflussreichen Politikern vermuten, dass es den USA in Wahrheit mehr um die eigenen wirtschaftlichen Interessen als um die Sicherheit geht. Vertreter der USA sagen, es gehe um beides: Sicherheit und Wirtschaft.

Die Minderheitsregierung von Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babis ist auf die Duldung durch die kommunistische Partei angewiesen, und die hat sich hinter Huawei gestellt. Die kommunistischen Parteigranden, die regelmäßig nach Beijing fliegen, haben die Regierung deutlich dazu aufgefordert, Huawei zu unterstützen. Erst letzten Monat verbrachte der Kommunistenführer Vojtech Filip vier Tage in Beijing. Er traf dort auch Vertreter von Huawei und ließ sich durch den Showroom führen. "Das war wie auf einem Fußballfeld", sagte er danach.

Huawei beschwerte sich über die tschechische Sicherheitsbehörde. Deren Warnung habe bereits das Geschäft beeinträchtigt, Verluste beschert und andere Probleme ausgelöst, sagte Radoslaw Kedzia, Huaweis Chef-Repräsentant in Tschechien. "Der Umsatz über den Einzelhandel leidet, und das Image der Marke ist beschädigt", schrieb er in einem Brief an Ministerpräsident Babis.

ost/12.2.2019

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