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Großbritannien kann Brexit-Erklärung einseitig zurücknehmen

Erscheinungsdatum Website: 10.12.2018 17:22:33
Erscheinungsdatum Publikation: 11.12.2018

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LUXEMBURG (AFP)--Großbritannien könnte den Brexit ohne Zustimmung der übrigen EU-Staaten eigenständig wieder stoppen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied am Montag in Luxemburg, das Land könne die Brexit-Erklärung einseitig zurücknehmen. Die mit Spannung erwartete Entscheidung fiel einen Tag vor der geplanten Abstimmung im britischen Parlament über den mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag. (Az. C-621/18)

Die Luxemburger Richter mussten darüber entscheiden, ob Artikel 50 des EU-Vertrags zum Austritt aus der Union auch eine solche einseitige Rücknahme erlaubt. In dem Artikel werde ein solcher Schritt weder ausdrücklich verboten noch zugelassen, stellte der EuGH fest.

Der Gerichtshof kam aber zu dem Schluss, dass ein Mitgliedsstaat bis zum Inkrafttreten einer Austrittsvereinbarung seine Ankündigung eines Rückzugs zurücknehmen könne. Es würde im Widerspruch zum Ziel der EU-Verträge einer engeren Union stehen, ein Land zum Rückzug zu zwingen.

Die Möglichkeit einer einseitigen Rücknahme besteht damit für Großbritannien laut EuGH bis zum Ende der Zweijahresfrist nach der Austrittserklärung. Diese Frist endet am 29. März 2019. Der EuGH machte lediglich deutlich, dass ein solcher Rückzug vom angekündigten Austritt aus der EU mit den Anforderungen der britischen Verfassung in Einklang stehen müsse.

Der EuGH folgte mit seinem Urteil der Auffassung seines Generalanwalts, der in der vergangenen Woche in seinem Schlussantrag die einseitige Rücknahme der Brexit-Erklärung ebenfalls als möglich eingestuft hatte. Abgeordnete des schottischen, des britischen und des Europaparlaments hatten eine Klärung dieser Frage angestrebt. Das oberste schottische Zivilgericht legte den Fall dem EuGH vor.

Mit Spannung wird nun erwartet, ob die Entscheidung auch konkrete Folgen hat. Das Urteil könnte für einige britische Abgeordnete bei der geplanten Abstimmung im Parlament am Dienstag ein weiteres Argument sein, gegen die Vereinbarung zu stimmen. Eine Rücknahme der Brexit-Erklärung könnte dann eine dritte Alternative neben der Zustimmung zum Austrittsvertrag oder einem harten Brexit ohne Vertrag darstellen.

Eine Zustimmung zum Brexit-Abkommen ist aber unabhängig von dem Urteil mehr als fraglich, weil die meisten Oppositionsparteien, aber auch Teile der konservativen Tories von Premierministerin Theresa May dagegen sind. Ein Scheitern des Vertrags könnte zu einem Misstrauensvotum gegen May und möglichen Neuwahlen in Großbritannien führen. Brexit-Minister Stephen Barclay wies am Wochenende allerdings Spekulationen über eine Verschiebung der Abstimmung im Parlament zurück.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) zeigte sich noch vor dem EuGH-Urteil überzeugt, dass die EU nicht erpressbar werden könne. Das könne er sich nicht vorstellen, sagte Maas in Brüssel. Er hoffe ansonsten, "dass unter Anwendung größtmöglicher Vernunft in London in dieser Woche gute Entscheidungen getroffen werden".

Die europapolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Franziska Brantner, wertete das Urteil als Beleg dafür, dass der Brexit für die Briten nicht unumkehrbar sei. Dies sei vor der Abstimmung im Parlament ein "wichtiges Zeichen für alle, die auf einen Verbleib Großbritanniens in der EU hoffen", erklärte Brantner. Die Tür zum europäischen Haus stehe für die Briten immer offen.

DJG/hab

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