Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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AUSBLICK/Die EZB vergrößert ihre Bilanz nicht mehr

Erscheinungsdatum Website: 10.12.2018 17:11:49
Erscheinungsdatum Publikation: 11.12.2018

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FRANKFURT (Dow Jones)--Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) dürfte am Donnerstag beschließen, im Rahmen des Anleihekaufprogramms APP keine zusätzlichen Anleihen mehr zu kaufen. Die EZB würde damit in den Modus einer konstanten Bilanzsumme umschalten, womit sofort die Frage in den Mittelpunkt rückt: Ab wann wird die Bilanz verkleinert?

Aussagen hierzu, zu technischen Aspekten der Wiederanlage von Erträgen aus fällig gewordenen Anleihen und zum weiteren Leitzinskurs dürften im Mittelpunkt der Pressekonferenz von Präsident Mario Draghi stehen. Außerdem veröffentlicht die EZB neue Prognosen zu Wachstum und Inflation.

Nachdem die EZB ihren Anleihebestand seit 2015 um 2,6 Billionen Euro erhöht hat, will sie ihre Bilanz von nun an nur noch konstant halten. Das bedeutet aber immer noch, dass die EZB an den Anleihemärkten sehr aktiv bleiben muss, denn ständig werden Papiere fällig und müssen ersetzt werden. Der Kaufdruck insbesondere auf deutsche Bundesanleihen wird deshalb hoch bleiben.

EZB drückt Zinsen über Reinvestitionen weiter

"Bunds" sind aus regulatorischen Gründen bei Banken sehr gefragt, sie sind zugleich der größte Ankaufposten im APP. Ihre Prominenz nimmt sogar noch zu, weil Deutschlands Anteil am EZB-Kapital gestiegen ist. Allerdings sind sich Analysten nicht einig darüber, ob und wenn ja wie schnell die EZB dafür sorgen wird, dass sich die neuen Kapitalanteile im gesamten APP-Portfolio widerspiegeln. Aussagen dazu könnte Draghi in seiner Pressekonferenz machen, auch die Veröffentlichung einer gesonderten Mitteilung ist denkbar.

Weitere technische Fragen zur nächsten APP-Phase, sind: Wird es möglich sein, Reinvestitionen zwischen den verschiedenen Ankaufprogrammen (öffentliche Anleihen, Unternehmensanleihen, Covered Bonds, ABS) zu verschieben? Wird die EZB mit Durationszielen für die einzelnen Portfolien arbeiten, oder wird sie sich weiterhin an das Prinzip der Marktneutralität halten? Wird sich die EZB bei Reinvestitionen im Ankaufprogramm für öffentliche Anleihen weiterhin drei Monate Zeit zwischen Fälligkeit und Reinvestition geben?

Mehr Klarheit über Dauer von Reinvestitionen?

Noch viel wichtiger ist allerdings, wie lange die EZB reinvestieren, also ihre Bilanz konstant halten will. Derzeit sagt sie: Für längere Zeit, auf jeden Fall aber so lange wie erforderlich. EZB-Chefvolkswirt Peter Praet hat kürzlich genauere Aussagen hierzu in Aussicht gestellt. Sie wären in der geldpolitischen Erklärung des Rats enthalten, die um 13.45 Uhr veröffentlicht wird.

Die von Dow Jones Newswires befragten Analysten erwarten, dass die EZB ihr Anleiheportfolio mindestens zwei Jahre lang konstant halten wird. Mit genau zwei Jahren rechnet Katharina Utermöhl, Volkswirtin bei der Allianz. "Frühestens 2021 wird sie damit beginnen, die Reinvestitionsquote langsam herunterzuschrauben", prognostiziert sie. Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert rechnet mit rund 2,5 Jahren voller Wiederanlage, danach langsam weniger. Gottfried Steindl von RBI Research denkt sogar an 2023.

Wie genau sie ihre Absichten jetzt schon signalisieren wird, bleibt jedoch abzuwarten. Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding geht davon aus, dass die EZB zunächst nur mitteilen wird, dass die Wiederanlage wenigstens über den Zeitpunkt der ersten Zinserhöhung praktiziert werden wird.

EZB lässt Zins-Guidance voraussichtlich unverändert

Auch die Forward Guidance für den künftigen Zinskurs wird die EZB in ihrer geldpolitischen Erklärung bekannt machen. Derzeit stellt die EZB unveränderte Zinsen "wenigstens über den Sommer 2019" in Aussicht. Analysten erwarten, dass die EZB von dieser Aussage nicht abrücken wird. Sie sehen aber wegen der Eintrübung des wirtschaftlichen Umfelds ein zunehmendes Risiko, dass die erste Zinserhöhung erst 2020 erfolgen wird.

In diesem Zusammenhang sind die neuen EZB-Stabsprojektionen von Interesse, die erstmals das Jahr 2021 einschließen werden. Volkswirte erwarten, dass die EZB sowohl Wachstums- als auch Inflationsprognosen etwas senken wird. Besondere Aufmerksamkeit dürfte der Wachstumsprognose für 2019 und der Inflationsprognose für 2021 zuteilwerden und außerdem der Beurteilung der Wachstumsrisiken.

Die gegen 14.30 Uhr beginnende Pressekonferenz wird Mario Draghi Gelegenheit geben, der gewachsenen Konjunkturskepsis der EZB Ausdruck zu geben und damit die Zinserhöhungserwartungen vielleicht noch ein bisschen nach hinten zu schieben. Auch zu möglichen neuen langfristigen Refinanzierungsgeschäften könnte er sich äußern.

Analysten senken Wachstums-, Euro- und Renditeprognosen

Die von Dow Jones Newswires befragten Analysten haben ihre Inflationsprognosen für 2018 und 2019 unverändert bei 1,8 und 1,7 Prozent gelassen, die Wachstumsprognosen aber auf 1,9 (bisher: 2,0) und 1,6 (1,8) Prozent gesenkt. Den Euro-Kurs sehen sie auf Sicht von drei, sechs und zwölf Monaten bei 1,14 (1,16), 1,16 (1,18) und 1,20 (1,21) US-Dollar und die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen bei 0,55 (0,60), 0,68 (0,70) und 0,90 (1,00) Prozent.

DJG/hab/smh

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