Finanz- und Wirtschaftsspiegel

Der Newsletter "Finanz- und Wirtschaftsspiegel" informiert täglich über die Aktivitäten der internationalen Zentralbanken mit Schwerpunkt auf die Europäische Zentralbank, die Federal Reserve und die Bank of Japan.

EZB vergrößert ihre Bilanz nicht mehr

Erscheinungsdatum Website: 07.12.2018 16:40:03
Erscheinungsdatum Publikation: 10.12.2018

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FRANKFURT (Dow Jones)--Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) dürfte am Donnerstag beschließen, im Rahmen des Anleihekaufprogramms APP keine zusätzlichen Anleihen mehr zu kaufen. Die EZB würde damit in den Modus einer konstanten Bilanzsumme umschalten, womit sofort die Frage in den Mittelpunkt rückt: Ab wann wird die Bilanz verkleinert? Aussagen hierzu, zu technischen Aspekten der Wiederanlage von Erträgen aus fällig gewordenen Anleihen und zum weiteren Leitzinskurs dürften im Mittelpunkt der Pressekonferenz von Präsident Mario Draghi stehen. Außerdem veröffentlicht die EZB neue Prognosen zu Wachstum und Inflation.

Neben den geldpolitischen Entscheidungen der EZB kommen in der Woche noch Zinsentscheidungen aus der Schweiz, Norwegen und der Türkei, US-Inflationsdaten, der Tankan-Bericht der Bank of Japan (BoJ) und die Unterhausabstimmung über den geplanten EU-Austritt Großbritanniens. Außerdem veröffentlicht IHS Markit die ersten Einkaufsmanagerindizes für Dezember.

Nachdem die EZB ihren Anleihebestand seit 2015 um 2,6 Billionen Euro erhöht hat, will sie ihre Bilanz von nun an nur noch konstant halten. Das bedeutet aber immer noch, dass die EZB an den Anleihemärkten sehr aktiv bleiben muss, denn ständig werden Papiere fällig und müssen ersetzt werden. Der Kaufdruck insbesondere auf deutsche Bundesanleihen wird deshalb hoch bleiben.

EZB drückt Zinsen über Reinvestitionen weiter

"Bunds" sind aus regulatorischen Gründen bei Banken sehr gefragt, sie sind zugleich der größte Ankaufposten im APP. Ihre Prominenz nimmt sogar noch zu, weil Deutschlands Anteil am EZB-Kapital gestiegen ist. Allerdings sind sich Analysten nicht einig darüber, ob und wenn ja wie schnell die EZB dafür sorgen wird, dass sich die neuen Kapitalanteile im gesamten APP-Portfolio widerspiegeln. Aussagen dazu könnte Draghi in seiner Pressekonferenz machen, auch die Veröffentlichung einer gesonderten Mitteilung ist denkbar.

Weitere technische Fragen, betreffend die nächste APP-Phase, sind: Wird es möglich sein, Reinvestitionen zwischen den verschiedenen Ankaufprogrammen (öffentliche Anleihen, Unternehmensanleihen, Covered Bonds, ABS) zu verschieben? Wird die EZB mit Durationszielen für die einzelnen Portfolien arbeiten, oder wird sie sich weiterhin an das Prinzip der Marktneutralität halten? Wird sich die EZB bei Reinvestitionen im Ankaufprogramm für öffentliche Anleihen weiterhin drei Monate Zeit zwischen Fälligkeit und Reinvestition geben?

Mehr Klarheit über Dauer von Reinvestitionen?

Noch viel wichtiger ist allerdings, wie lange die EZB reinvestieren, also ihre Bilanz konstant halten will. Derzeit sagt sie: Für längere Zeit, auf jeden Fall aber so lange wie erforderlich. EZB-Chefvolkswirt Peter Praet hat kürzlich genauere Aussagen hierzu in Aussicht gestellt. Sie wären in der geldpolitischen Erklärung des Rats enthalten, die um 13.45 Uhr veröffentlicht wird.

Gleiches gilt für den weiteren Zinskurs. Derzeit stellt die EZB unveränderte Zinsen "wenigsten über den Sommer 2019" in Aussicht. Analysten erwarten, dass die EZB von dieser Aussage nicht abrücken wird. Sie sehen aber wegen der Eintrübung des wirtschaftlichen Umfelds ein zunehmendes Risiko, dass die erste Zinserhöhung erst 2020 erfolgen wird.

In diesem Zusammenhang sind die neuen EZB-Stabsprojektionen von Interesse, die erstmals das Jahr 2021 einschließen werden. Volkswirte erwarten, dass die EZB sowohl Wachstums- als auch Inflationsprognosen etwas senken wird. Besondere Aufmerksamkeit dürfte der Wachstumsprognose für 2019 und der Inflationsprognose für 2021 zuteilwerden und außerdem der Beurteilung der Wachstumsrisiken.

Die gegen 14.30 Uhr beginnende Pressekonferenz wird Mario Draghi Gelegenheit geben, der gewachsenen Konjunkturskepsis der EZB Ausdruck zu geben und damit die Zinserhöhungserwartungen vielleicht noch ein bisschen nach hinten zu schieben. Auch zu möglichen neuen langfristigen Refinanzierungsgeschäften könnte er sich äußern.

SNB ändert nichts, Norges Bank senkt Zinspfad

Auch alle übrigen geldpolitischen Entscheidungen der Woche kommen am Donnerstag, und zwar vor jener der EZB: Um 9.30 beginnt die Schweizerische Nationalbank (SNB), von der keine geldpolitische Kursänderung zu erwarten ist. Analysten werden vor allem auf die Wortwahl im Hinblick auf den Franken achten, den die SNB zuletzt als "überbewertet" bezeichnet hatte, jedoch nicht als "stark überbewertet".

Um 10.00 Uhr folgt die Norges Bank. Analysten erwarten unveränderte Zinsen, wollen aber nicht ausschließen, dass die Zentralbank ihren künftigen Zinspfad weiter nach unten verschiebt. Das würde bedeuten, dass sie eine von sechs für die nächsten drei Jahre prognostizierten Zinserhöhungen ausfallen ließe. Im September hatte Norges Bank ihren Leitzins um 25 Basispunkte angehoben, aber zugleich den Zinspfad nach unten verschoben. Um 12.00 Uhr folgt die Zinsentscheidung der türkischen Notenbank. Im Fokus der Finanzmärkte steht die Türkei nicht mehr so stark, seit die diplomatischen Spannungen mit den USA und damit auch der Abwertungsdruck auf die Lira nachgelassen haben.

Euroraum-PMI stabilisiert sich im Dezember

Von konjunktureller Seite sind in der Woche vor allem die europäischen Einkaufsmanagerindizes (PMI) von Interesse. Für den Euroraum (Freitag, 10.00 Uhr), wird eine Stabilisierung des aggregierten PMI erwartet. Die ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland (Dienstag, 11.00 Uhr) dürften sich kaum geändert haben.

Wichtigste US-Konjunkturdaten sind die Verbraucherpreise (Mittwoch, 14.30 Uhr) und die Erzeugerpreise (Dienstag, 14.30 Uhr). Am Freitag (0.50 Uhr) veröffentlicht die Bank of Japan ihren Tankan-Bericht für das vierte Quartal. Analysten erwarten eine leichte Eintrübung von Lagebeurteilung und Erwartungen der Großunternehmen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) spricht am Montag 9.30 Uhr sein Urteil zu den Staatsanleihekäufen der EZB (PSPP). Grund ist eine Anfrage des deutschen Bundesverfassungsgerichts auf eine Verfassungsbeschwerde mehrerer Einzelpersonen hin, die der EZB eine Überschreitung ihrer Kompetenzen und monetäre Staatsfinanzierung vorwerfen. Generalanwalt Melchior Wathelet hat dem Gericht vorgeschlagen, das PSPP als rechtmäßig einzustufen. Dem dürfte das Gericht folgen.

Britisches Unterhaus dürfte Mays Brexit-Plan ablehnen

Am Dienstag hält Europa den Atem an: Das britische Unterhaus stimmt über den von Premierministerin Theresa May ausgehandelten Brexit-Vertrag ab. Beobachter rechnen mit einer Ablehnung, da die meisten Oppositionsparteien, aber auch Teile von Mays konservativen Tories, dagegen sind. Wie es danach weitergeht, ist völlig offen.

Mögliche Szenarien sind Nachverhandlungen mit Brüssel, ein Rücktritt Mays, ein Misstrauensvotum, eine Neuwahl, ein zweites Referendum oder auch ein Ausscheiden ohne jegliche Vereinbarung mit Brüssel. Da die Zeit bis zum Austritt am 29. März 2019 sehr knapp ist, droht Großbritannien ein Fiasko.

Um den großen Schaden abzuwenden, der bei einem Ausstieg ohne Abkommen droht, dürften die Verantwortlichen in London wohl eine Notlösung mit Brüssel suchen, etwa ein vorläufiger Verbleib in der EU. Zuletzt wurde auch spekuliert, dass die Abstimmung verschoben werden könnte.

DJG/hab/mgo

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