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Opposition fordert von Scholz Erklärung zu Phantom-Aktien

Erscheinungsdatum Website: 23.11.2018 00:40:02
Erscheinungsdatum Publikation: 26.11.2018

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BERLIN (Dow Jones)--Nach Medienberichten über betrügerische "Cum-Fake-Deals" mit nicht vorhandenen Aktien haben Politiker der Opposition eine umfassende Erklärung von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) zu dem Sachverhalt gefordert. "Bundesfinanzminister Scholz muss in der nächsten Sitzung des Finanzausschusses persönlich Rede und Antwort stehen", verlangte der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Florian Toncar.

Linken-Fraktionsvize Fabio De Masi erklärte, Scholz müsse in dem Ausschuss beantworten, "wann sein Ministerium von den Cum-Fake-Deals im Zuge einer Betriebsprüfung einer deutschen Bank erfahren hat".

Recherchen von WDR und Süddeutscher Zeitung hatten einen neuen Trick aufgedeckt, mit dem Banker, Aktienhändler und Investoren angeblich Millionen an Steuergeldern ergaunert haben. Demnach geht es um Geschäfte mit "American Depositary Receipts" (ADR): Papiere, die von Banken ausgestellt und in den USA stellvertretend für ausländische Aktien gehandelt werden.

Eigentlich müsste jedem ADR-Papier eine echte Aktie zugrunde liegen, doch offenbar seien Millionen von ADR-Papieren herausgegeben worden, bei denen das nicht der Fall gewesen sei. Mit diesen Scheinpapieren sollen sich die Akteure demnach außerhalb der USA Steuererstattungen gesichert haben. Laut den Angaben ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln in dem Fall, ein Ermittlungsverfahren gegen mehrere Mitarbeiter einer Bank in Deutschland wegen des Verdachts auf Steuerbetrug sei eingeleitet.

Finanzministerium spricht von "ernstem Vorgang"

Das Finanzministerium erklärte dazu, die Recherchen der Medien wiesen "auf einen ernsten Vorgang hin". Das Ministerium "geht diesen Vorwürfen mit Hochdruck nach und arbeitet dabei eng mit dem Bundeszentralamt für Steuern, das für die Erstattung von Kapitalertragsteuern zuständig ist, sowie mit den zuständigen Stellen der Bundesländer zusammen". Zugleich prüfe das Ministerium, "inwieweit die bestehenden Verfahren verbessert werden müssen, um Steuerhinterziehung weiter zu erschweren".

Die Vorgaben für Inhaber von ADR, die berechtigt seien, sich die Kapitalertragsteuer erstatten zu lassen, "sind eindeutig und schließen eine unberechtigte Erstattung aus", betonte das Haus von Finanzminister Scholz. So dürften Steuerbescheinigungen ausschließlich für ADR ausgestellt werden, die sich tatsächlich im Depot des jeweiligen Instituts befänden und für die die Kapitalertragsteuer auf die dem ADR zugrundeliegende Aktie abgeführt worden sei.

Für sogenannte "pre-ADRs" sei die Ausstellung einer Steuerbescheinigung unzulässig, denn diese seien nicht mit Aktien unterlegt. "Sollten entsprechende Bescheinigungen dennoch beantragt und ausgestellt worden sein, liegt ein klarer Gesetzesverstoß vor", betonte das Finanzministerium. Es sei jetzt die Aufgabe der zuständigen Ermittlungsbehörden, einschlägige Sachverhalte zu prüfen und zu ahnden - dies umfasse "auch die Haftung beteiligter Geldinstitute für den möglicherweise entstandenen Schaden".

Linke fordert die Kavallerie

FDP-Finanzexperte Toncar nannte die Berichte über die Phantom-Aktien "alarmierend" und forderte, Scholz müsse "jetzt alles dafür tun, dem Verdacht entgegenzutreten, man könne durch Betrugsmodelle hierzulande Steuergeld in riesigem Umfang ergaunern", und einen Sonderermittler einsetzen. Nötig sei "eine umfassende Untersuchung aller Möglichkeiten der Erstattung von Kapitalertragsteuern". Wenn das Finanzministerium jetzt erst durch Medienberichte dazu gebracht werde, Missbrauchsmöglichkeiten abzustellen, belege dies entweder einen zu sorglosen Umgang oder Überforderung. Beides müsse "umfassende politische und auch personelle Konsequenzen" haben.

Auch sei zu klären, warum das Ministerium noch vor wenigen Tagen die Forderung einer systematischen Analyse der Erstattungen von Kapitalertragsteuern rund um den Dividendenstichtag als überflüssig abgetan habe, betonte Linken-Fraktionsvize De Masi. "Wir brauchen jetzt die Kavallerie", meinte er. "Gesetzeslücken sind zu identifizieren und zu schließen, und wir brauchen eine Taskforce gegen Cum-Deals."

Scholz müsse "den Kampf gegen Steuerraub endlich zur Chefsache erklären, den Kuschelkurs mit der Finanzindustrie beenden und zur Aufklärung und Verhinderung solcher Betrügereien eine Experten-Taskforce einsetzen", forderte auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Im Finanzministerium herrsche weiter "ein gravierendes Verantwortungsdefizit", beklagte er. Nicht nur aus Perspektive ehrlicher Steuerzahler sei es unverständlich, dass die zentralen Lehren aus den "Cum-Ex"- und "Cum-Cum"-Skandalen der vergangenen Jahre nicht gezogen worden seien.

DJG/ank/apo/26.11.2018

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