Finanz- und Wirtschaftsspiegel
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Rechnungshof: Budgetentwurf 2024 verfassungsrechtlich äußerst problematisch
Erscheinungsdatum Website: 20.11.2023 19:30:02
Erscheinungsdatum Publikation: 21.11.2023
BERLIN (Dow Jones)--Der Bundesrechnungshof und weitere Sachverständige für eine Bundestagsanhörung zum Karlsruher Haushaltsurteil haben große verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Budgetentwurf für 2024 sowie gegen den Haushalt für 2023 und die Finanzierung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) geäußert. "Auf der Grundlage des Urteils des Bundesverfassungsgerichts hält der Bundesrechnungshof sowohl den Haushalt 2023 als auch den Regierungsentwurf für den Haushalt 2024 in verfassungsrechtlicher Hinsicht für äußerst problematisch", erklärte die Behörde in ihrer schriftlichen Stellungnahme für die am Dienstagvormittag geplante Anhörung.
"Gleiches gilt für die Finanzierung der WSF-Energiekrise in beiden Jahren", hoben die Rechnungsprüfer hervor. Sollte der Bundestag den Haushalt 2024 sowie den Wirtschaftsplan des WSF-Energiekrise für das Jahr 2024 auf Grundlage des Regierungsentwurfs ohne wesentliche Änderungen im Hinblick auf die Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts beschließen, hielte der Bundesrechnungshof dies "für verfassungsrechtlich höchst risikobehaftet".
Der Heidelberger Rechtsprofessor Hanno Kube erklärte in seiner Stellungnahme, aus mehreren Gründen ergebe sich aus dem Urteil "ein erheblicher neuer Informations-, Prüfungs - und Beratungsbedarf" im laufenden Gesetzgebungsverfahren für den Bundeshaushalt 2024. "Ebenso wie für den Haushalt 2023 gilt für den Entwurf des Haushalts 2024, dass dessen Verfassungsmäßigkeit nach aktuellem Stand nicht gesichert, sondern vielmehr fraglich ist", erklärte Kube. Er verwies auf den Gesichtspunkt des formalen Haushaltsausgleichs, den Grundsatz der Haushaltswahrheit und der Vereinbarkeit mit der Schuldenbremse. "Das Haushaltsgesetz 2024 und das begleitende Haushaltsfinanzierungsgesetz sind deshalb kurzfristig nicht beschlussreif", befand er.
Mittelbar Konsequenzen für andere Sondervermögen
Der Trierer Rechtsprofessor Henning Tappe schrieb in seiner Stellungnahme, die Ausführungen des Urteils könnten mittelbar "auch Konsequenzen für andere Sondervermögen/Fonds des Bundes haben". Er stellte dabei auf die präzisierten verfassungsrechtlichen Maßstäbe in dem Urteil ab. Denkbar sei dies etwa für den WSF. "Soweit solche Sondervermögen durch Zuführungen und Ablieferungen ... mit dem Kernhaushalt verbunden sind, können sich wieder Auswirkungen auf den Bundeshaushalt (Kernhaushalt) ergeben", warnte er. "Nicht ganz eindeutig" seien die Auswirkungen des Urteils mit Blick auf die Einhaltung der Kreditgrenzen in den Haushaltsjahren 2021 bis 2024.
Der Ökonomieprofessor Dirk Meyer von der Hamburger Universität der Bundeswehr erklärte, Rückwirkungen auf bestehende Sondervermögen wie den WSF seien "aufgrund einer ähnlichen Konstruktionsweise naheliegend" und könnten einer gerichtlichen Überprüfung gegebenenfalls nicht standhalten. Gleiches gelte für die Sondervermögen der Länder. "Die durch das Urteil hervorgerufene Haushaltskrise sollte langfristig als Chance zum Umdenken genutzt werden", mahnte er und forderte "weniger Regulierung und staatliche Förderung" und "mehr Spielraum für individuelle Entscheidung/Verantwortung". Meyer sprach sich für eine drastische Senkung der staatlichen Finanzhilfen "nach der Rasenmähermethode mit variabler Schnitthöhe" aus.
Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, betonte in seiner Stellungnahme, die Auswirkungen des Urteils auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung seien "derzeit jenseits der grundsätzlichen Belastung für das Investitionsklima schwer abzusehen". Neben den reinen Transformationsinvestitionen seien auch Elemente des gerade gefundenen Kompromisses zur Stromsteuerentlastung in Zweifel gezogen. Sofern unterstellt werde, dass ausschließlich die 60 Milliarden Euro des Nachtragshaushalts 2021 von dem Urteil betroffen seien, ergäben sich 2024 verfügbare Finanzmittel im Klima- und Transformationsfonds (KTF) von rund 39 Milliarden Euro. "Ein Drittel der Programmausgaben ist damit im Jahre 2024 nicht gedeckt", warnte der Ökonom.
Die Karlsruher Richter hatten den zweiten Nachtragshaushalt 2021 für unvereinbar mit dem Grundgesetz und damit nichtig erklärt. Laut dem Urteil durfte die Regierung zur Bewältigung der Corona-Pandemie aufgenommene Mittel von 60 Milliarden Euro nicht rückwirkend in den KTF verschieben. Die Urteilsbegründung enthielt auch grundsätzliche Aussagen zu den Prinzipien von Sondervermögen.
DJG/ank/sha