Euro Intern

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Lindner: Müssen mit Budget 2024 wieder fiskalische Resilienz gewinnen
Erscheinungsdatum Website: 08.09.2023 17:50:03
Erscheinungsdatum Publikation: 11.09.2023
BERLIN (Dow Jones)--Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat seine Konsolidierungspolitik im Haushalt 2024 im Bundestag verteidigt und klar gemacht, dass die Bekämpfung der Inflation oberste Priorität besitzt. "Wer den Ausstieg aus der Krisenpolitik nicht findet, der gefährdet dauerhaft die Stabilität unseres Gemeinwesens", warnte Lindner bei der Einbringung des Budgetentwurfes für 2024 in den Bundestag. "Wir können uns uferlos neue Schulden schlicht nicht erlauben. Sie wären nicht finanzierbar", betonte er.
Vorgesehen sind in Lindners Budgetplan 16,6 Milliarden Euro Neuverschuldung im nächsten Jahr nach 45,6 Milliarden im Soll dieses Jahr bei Ausgaben von 445,7 Milliarden Euro im Jahr 2024. Das sind laut Bundestag rund 30,6 Milliarden Euro oder 6,4 Prozent weniger als in diesem Jahr. Der Finanzplan bis 2027 weist aber ab 2025 noch einen "haushaltspolitischen Handlungsbedarf" von insgesamt 14,4 Milliarden Euro aus - 5,2 Milliarden im Jahr 2025, 4,4 Milliarden in 2026 und 4,8 Milliarden in 2027.
Lindner betonte, die Gesamtausgaben 2024 lägen mit seinem Plan nominal rund 25 Prozent oberhalb des Vorkrisenniveaus von 2019. "Von einem Kahlschlag kann also keinesfalls die Rede sein", konterte er Kritik. Im Budget 2024 seien aber 37 Milliarden Euro allein für Zinsausgaben geplant, was eine Verzehnfachung gegenüber 2021 sei. "Die Zinskosten im Haushalt sind mittlerweile doppelt so hoch wie der Etat der Bildungs- und Forschungsministerin", betonte der Finanzminister. "Wir können uns neue uferlose Schulden schlicht nicht erlauben", hob Lindner deshalb hervor.
Bekämpfung der Inflation hat Priorität
Der im Kabinett nach Diskussionen erarbeitete Budgetentwurf entspreche der Lage. Es sei wichtig, wieder fiskalische Resilienz zu gewinnen. "Es geht jetzt um die Anerkennung finanzpolitischer Realitäten nach Jahren, in denen Geld scheinbar keine Rolle spielte." Erste Priorität komme der Bekämpfung der Inflation zu. "Wir müssen so schnell wie möglich zurückkehren zur Geldwertstabilität", mahnte Lindner. Zwar sei die wirtschaftliche Entwicklung derzeit "nicht zufriedenstellend", schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme lehnte Lindner aber ab: "Würden wir Konjunkturprogramme auf Pump aufsetzen, die Bekämpfung der Inflation würde länger dauern und teurer für unsere Volkswirtschaft sein."
Die Neuverschuldung soll laut dem Plan mit 16,0 Milliarden Euro im Jahr 2025, 15,4 Milliarden im Jahr 2026 und 15,0 Milliarden Euro 2027 die Schuldenregel erfüllen. Mit der Haushaltsstrategie werde das Vorkrisenniveau bei der Staatsverschuldung "viel schneller" erreicht als heute manche glaubten, sagte Lindner voraus. Die Steuereinnahmen sind 2024 mit 375,3 Milliarden Euro veranschlagt und fallen um 4,8 Prozent höher aus als das Soll in diesem Jahr. An Investitionen sind 55,2 Milliarden Euro ausgewiesen nach 71,5 Milliarden Euro im Jahr 2023. Die Ausgaben sollen in allen Jahren gegenüber dem laufenden Haushaltsjahr gesenkt werden.
Insgesamt sollen alle Ressorts außer dem Verteidigungsministerium Einsparungen erbringen. Dem Verteidigungsministerium soll 2024 ein "Rekordansatz" von 51,8 Milliarden Euro bereitgestellt werden, eine Steigerung um rund 1,68 Milliarden Euro. Der Entwurf des Haushaltsgesetzes stellt laut Bundestag im Wirtschaftsplan des Sondervermögens "Bundeswehr" zudem für 2024 Einnahmen und Ausgaben von 19,73 Milliarden Euro fest. Lindner sagte zu, ab dem kommenden Jahr werde die Nato-Quote von 2 Prozent Verteidigungsausgaben vom Bruttoinlandsprodukt erreicht.
Haushaltspolitisches Eisbergfeld droht
Künftig werde das Haushalten "noch anspruchsvoller werden", sagte Lindner. "In jedem der nächsten Jahre müssen wir eine Lücke von 5 Milliarden Euro zwischen erwarteten Einnahmen und Ausgaben schließen", hob er hervor. Ab 2028 bedürfe es dann zum Beispiel "erheblicher Mittel" aus dem Kernhaushalt zur Erfüllung der Nato-Quote. "Hinter der Horizontlinie, für uns noch nicht sichtbar, da kommt ein Eisberg, um nicht zu sagen, ein Eisbergfeld", warnte der Finanzminister. "Wir müssen jetzt den Kurs ändern", forderte er und kündigte an, es werde keine strukturellen Mehrausgaben ohne Gegenfinanzierung geben.
Lindner lehnte Vorschläge aus der Union ab, den Spitzensteuersatz anzuheben. "Ich warne vor der Debatte, den Spitzensteuersatz zu erhöhen", sagte er. Auch lehnte er eine Nutzung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) für Investitionsprogramme ab, wie sie die Grünen fordern. Eine solche Zweckänderung des WSF wäre "verfassungsrechtlich nicht zulässig". Auch mahnte Lindner mit Blick auf Forderungen nach einem Industriestrompreis, Instrumente zu finden, die keine Wettbewerbsverzerrung mit sich brächten. "Das wird dieser Bundesregierung gelingen", sagte er.
DJG/ank/apo/11.09.2023