Euro Intern

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BGA wirft Bundesregierung verfehlte Außenhandelspolitik vor
Erscheinungsdatum Website: 08.09.2023 17:50:02
Erscheinungsdatum Publikation: 11.09.2023
BERLIN (Dow Jones)--Die deutsche Exportwirtschaft hat der Bundesregierung eine verfehlte Außenhandelspolitik vorgeworfen und spricht von einer alarmierenden Stimmung unter den Außenhändlern. Eine Umfrage für den Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) ergab, dass 63 Prozent der befragten Unternehmen für den deutschen Außenhandel im Jahr 2023 von einer rückläufigen oder sogar stark rückläufigen Tendenz ausgehen.
Angesichts dieser desolaten Lage forderte BGA-Präsident Dirk Jandura, dass die Bundesregierung schleunigst neue Impulse setzen und für die Wirtschaft Handelserleichterungen schaffen müsse. Nur so könne die Politik die Unternehmen in ihren Diversifizierungsbemühungen unterstützen. Dazu brauche es einen echten Abbau bürokratischer Belastungen.
Laut BGA-Umfrage geht aktuell nur noch jedes zwanzigste Unternehmen von einer besseren Entwicklung im Außenhandel in diesem Jahr aus. "Das sind alarmierende Werte", sagte Jandura. Das Stimmungsbild ähnle dem aus Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise. "Die Gründe liegen in einer schwachen Konjunktur in China, Asien, Südamerika und in der noch schwächeren Regierungspolitik in Deutschland. Unser Standort ist in verschiedenen Bereichen derzeit nicht wettbewerbsfähig genug. Und unsere Politik ist es auch nicht. Und das wirkt sich jetzt zunehmend auf die Zahlen auch im Außenhandel aus."
Statt Bürokratie abzubauen würde sie vergrößert. So stehe etwa vor allem mit der Europäischen Lieferkettenrichtlinie eine drastische Verschärfung der ohnehin schon komplizierten deutschen Regulierung bevor. Damit sei eine deutlich umfangreichere Sorgfaltspflichtenprüfung notwendig, die Bürokratiebelastung und Rechtsunsicherheit für viele Unternehmen weiter steigern werde.
Rückzug aus Entwicklungsländern wegen EU-Lieferkettenrichtlinie
Mit dem Entwurf der Europäischen Lieferkettenrichtlinie würden keine Diversifizierung der Lieferketten oder Stärkung der globalen Wertschöpfungsketten erreicht. Vielmehr würden die Betriebe durch die zahlreichen und komplexen Sorgfaltspflichten und den damit auferlegten Administrationsaufwand zusätzlich geschwächt.
"Die Konsequenz: Europäische Unternehmen werden sich zwangsläufig aus Entwicklungsländern zurückziehen. Das schadet der Exportnation Deutschland. Das gefährdet die Versorgungssicherheit Europas. Und das erhöht die Abhängigkeit des globalen Südens von autoritären Regimen. Kurzum: Wir manövrieren uns immer mehr in die wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit", warnte der BGA-Präsident.
Nachhaltigkeitsforderungen als Hindernis für Freihandel
Gleichzeitig kritisierte er den mangelnden Fortschritt bei Freihandelsabkommen. Hier sei lange Zeit nichts passiert und nun zu wenig. Die Ampel-Regierung müsse aufhören, Freihandelsabkommen mit sachfremden Themen zu überfrachten. Diese gelte insbesondere für Nachhaltigkeitsforderungen. "Übertriebene deutsche Wertevorstellungen haben sich in den Verhandlungen zu oft als Hindernisse erwiesen. Die Förderung des Austauschs von Waren und Dienstleistungen muss wieder im Zentrum der handelspolitischen Aktivitäten stehen", forderte er.
So sei ein Abkommen mit dem Mercosur "aus geopolitischer Sicht sehr wichtig", weshalb ein schneller Abschluss des eigentlich ausverhandelten Abkommens der EU mit dem südamerikanischen Wirtschaftsraum sehr wünschenswert wäre. "Für möglich halten wir es, aber aktuell sieht es nicht danach aus", betonte Jandura allerdings bei einer Pressekonferenz. Man könne zu einem schnellen Abschluss kommen, wenn man darauf verzichten würde, von EU-Seite bei den Nachhaltigkeitsforderungen "noch einmal nachzulegen", hob er hervor.
Außerdem monierte er, dass in der Außenwirtschaftspolitik versucht werde, deutsche Unternehmen als Druckmittel für den Klimaschutz zu missbrauchen. Restriktive Kriterien führten dazu, die internationale Bedeutung der deutschen Zulieferindustrie zu reduzieren und die Wettbewerbsfähigkeit auf dem internationalen Markt weiter einzuschränken. Weiterhin forderte er einen engeren Dialog mit der Bundesregierung und warf ihr vor, einen zu engen Kontakt mit Nichtregierungsorganisationen zu haben.
Politik "praxisfremd und oberlehrerhaft" bei China
Mit Blick auf China warnte Jandura davor, dass die neue Chinastrategie durch einen Regulierungswahn gekennzeichnet sei, der "praxisfremd und oberlehrerhaft" sei. "Natürlich müssen wir uns mit dem aggressiven Expansionskurs Chinas auseinandersetzen. Natürlich ist China ein autoritärer Staat mit erheblichen menschenrechtlichen Problemen. Aber China ist für Deutschland auch der zweitwichtigste Auslandsmarkt", betonte er. "Wir können und wollen uns von China nicht entkoppeln. Wir müssen uns eher darüber Sorge machen, was passiert, wenn sich China von uns entkoppelt. Dann gehen hier in Deutschland buchstäblich die Lichter aus."
Gründe für chinesische Kaufzurückhaltung sah Jandura in einer "starken Problematik der Überschuldung" und pessimistischen Stimmung, die das Kaufverhalten der Chinesen dämpft. "Da sehen wir einfach das Problem, dass es auf die Investitionsgüter drückt, die aus Deutschland nach China exportiert werden", konstatierte der BGA-Präsident. "Das ist aus unserer Sicht das, was hinter diesen schwachen Exporten nach China steckt." Man versuche, die deutsche Wirtschaft von Geschäften mit China abzuhalten, hieß es von dem Verband. So gebe es zum Beispiel einige Garantien nicht mehr, sagte Jandura. "Da könnte man sicherlich etwas verbessern", hob er hervor.
DJG/aat/ank/apo/11.09.2023