Nachrichten für Außenhandel (NfA)

Teaserbild 'Nachrichten für Außenhandel (NfA)'

"Nachrichten für Außenhandel (NfA)" – die einzige deutschsprachige Tageszeitung für die gesamte Außenwirtschaft bietet einen schnellen und strukturierten Überblick über die wichtigsten Entwicklungen auf den internationalen Wachstumsmärkten.

Die NfA liefert hochwertige und praxisrelevante Hintergrundinformationen, ausführliche Analysen und Bewertungen -  deutlich umfassender als in der Wirtschaftstagespresse. Im Fokus stehen die deutschen Exportbranchen mit Schwerpunkt auf Investitionsgütern

Georgien: EU sucht Partner in der Schwarzmeer-Region

Erscheinungsdatum Website: 23.05.2023 16:55:02
Erscheinungsdatum Publikation: 23.05.2023

zurück zur Übersicht

Kommt der Südkorridor? / Von Emil Avdaliani, Georgia Today

TIFLIS (NfA)--Inmitten des Ukraine-Kriegs, der westlichen Sanktionen und der daraus resultierenden Verschlechterung der Beziehungen zwischen der EU und Russland versucht Brüssel, seine Energieversorgung zu diversifizieren. Im Dezember 2022 unterzeichneten die Präsidenten von Aserbaidschan, Rumänien, Georgien und Ungarn in Bukarest im Beisein von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen Pakt, der die EU mit Georgien und Aserbaidschan verbinden und grüne Energie aus dem Südkaukasus exportieren soll.

Georgien und Aserbaidschan werden dank des 1.195 km langen Stromkabels in der Lage sein, grünen Strom auf dem EU-Markt zu verkaufen. Es wird auch die Entwicklung sauberer Energien vor Ort fördern, aber eswird auch die Wahrscheinlichkeit von FDIs der EU in georgische und aserbaidschanische erneuerbare Ressourcen erhöhen.

Die anfänglichen Kosten für das Projekt werden auf etwa 2,7 Mrd US-Dollar geschätzt. Die Finanzierung wird von internationalen Institutionen wie der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung übernommen. Neben der Stromleitung ist auch ein digitales Datenkabel geplant, das dem Südkaukasus zu einer besseren Anbindung an den EU-Internetmarkt verhelfen soll. Die Finanzierung des Projekts ist Teil des ehrgeizigen Global-Gateway-Plans, einer weltweiten Anstrengung, um mit Chinas massiver Belt-and-Road-Initiative zu konkurrieren, die in den kommenden Jahren mehr als 300 Mrd Euro mobilisieren soll.

Der Vorstoß der EU in Richtung Schwarzes Meer und Südkaukasus wird durch geopolitische Katastrophen und die sich verändernde Natur der eurasischen Verbindungen angetrieben, die jahrzehntelang durch Russland verliefen. Da der russische Korridor aufgrund der westlichen Sanktionen stagniert, ist die wahrscheinlichste Alternative der sogenannte Südkorridor, der das Schwarze Meer und die Türkei mit dem Kaspischen Becken und Zentralasien verbindet. Vor dem Krieg wurden über das Schwarze Meer 3,8% des Welthandels abgewickelt, während 17% über Russland liefen. Doch Ende 2022 war der Transit durch Russland um etwa 40% zurückgegangen. Ein Teil davon wurde auf den Mittleren Korridor verlagert. Tatsächlich stiegen die Gütertransporte auf dieser Route bis Ende 2022 auf 3,2 Mio t. Es wird sogar davon ausgegangen, dass die Kapazität des Mittleren Korridors die schwindelerregende Menge von 10 Mio t pro Jahr erreichen könnte. Dies steht in krassem Gegensatz zu 2020 bis 2021, in dem der Durchsatz zwischen 350.000 und 530.000 t lag.

Der Krieg in der Ukraine ist somit eine äußerst einschneidende geopolitische Entwicklung, die die Art und Weise, wie die EU und vielleicht sogar der gesamte Westen die Schwarzmeer-Region seit den 1990er-Jahren betrachtet haben, verändern wird. Die Notwendigkeit, in die Region zu expandieren, die zunehmend als Bruchlinie zwischen Russland und dem Westen angesehen wird, muss nicht nur durch traditionelle politische und militärische Maßnahmen, sondern vor allem durch wirtschaftliche und groß angelegte Infrastrukturprojekte erreicht werden. Die eurasische Geopolitik begünstigt diesen Ansatz ebenso wie die relative Einigkeit des Westens gegenüber der Herausforderung der gegenwärtigen Ordnung durch Russland.

zurück zur Übersicht