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Bund gibt 1 Mrd EUR für Flüchtlingskosten

Erscheinungsdatum Website: 12.05.2023 19:05:45
Erscheinungsdatum Publikation: 15.05.2023

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BERLIN (AFP)--Im Streit über die Finanzierung der Flüchtlingskosten haben Bund und Länder bei ihrem Gipfel im Kanzleramt nur eine vorläufige Einigung erzielt. Der Bund überweist den Ländern dieses Jahr eine Milliarde Euro zusätzlich, wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwochabend nach den mehrstündigen Gesprächen sagte. Eine langfristige Lösung soll bis November stehen. Einig waren sich beide Seiten darin, dass Asylverfahren und Abschiebungen schneller ablaufen sollen.

Die Finanzfrage hatte vor dem Treffen im Mittelpunkt gestanden. Die Länder forderten ein dynamisches oder "atmendes" Finanzierungssystem, das sich automatisch an die Asylbewerberzahl anpasst - so etwas hatte es bis 2021 gegeben. Der Bund lehnte eine Rückkehr zum früheren System aber ab. Im Beschlusspapier vom Mittwoch heißt es zudem: "Aus Sicht des Bundes wurde ein atmendes System für die Unterstützung der Länder und Kommunen bereits etabliert."

Vereinbart wurde nun, dass die Runde über die Finanzierungsfrage im November entscheidet. "Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe wird diese Entscheidung vorbereiten", über einen Zwischenstand sollen Bund und Länder im Juni sprechen. Die zusätzliche Milliarde soll derweil in die Digitalisierung der Ausländerbehörden und zusätzliche Unterstützung der Kommunen fließen.

Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, der niedersächsische Regierungschef Stephan Weil (SPD), sagte auf der gemeinsamen Pressekonferenz, die Milliarde sei "wichtig, sie löst aber natürlich noch nicht die Grundsatzfrage", wie es weitergehe mit der Verteilung der Flüchtlingskosten. Er warnte, die Flüchtlingszahlen seien in den ersten Monaten dieses Jahres bereits stark gestiegen, jedoch sei der Höhepunkt noch nicht erreicht. Deshalb werde die Kostenfrage an Dringlichkeit noch zunehmen.

Der Vizechef der Ministerpräsidentenkonferenz, der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), sagte zu den Vereinbarungen beim Streitthema Finanzen: "Mehr war eben nicht drin." Er bekräftigte, dass die Länder ein Modell wollten, was sich an veränderte Flüchtlingszahlen anpasst, - ohne "wiederkehrendes politisches Feilschen".

Deutlich schärfere Kritik äußerten in einer Protokollerklärung die Länder Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt. "Die vom Bund vorgesehene Erhöhung um eine Milliarde Euro ist völlig unzureichend", heißt es dort. "Der Bund entzieht sich hier seiner Verantwortung, die er aufgrund seiner Zuständigkeit für die Ordnung und Steuerung des Migrationsgeschehens trägt."

Der Deutsche Landkreistag beklagte das "insgesamt enttäuschende Gipfelergebnis". Bund und Länder hätten "zumindest die Finanzen klarziehen müssen", sagte Verbandspräsident Reinhard Sager den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstagsausgaben). "Wenn einzelne Punkte bis zum Sommer weiter ausgearbeitet werden sollen, um dann im November beschlossen zu werden, suggeriert das Zeit, die wir nicht haben."

Einigkeit herrschte am Mittwoch hingegen bei dem Ziel, "die irreguläre Migration spürbar zu reduzieren", wie es im Beschlusspapier heißt. Scholz schloss in diesem Zusammenhang Grenzkontrollen zu weiteren Nachbarstaaten Deutschlands nicht aus, wie es sie derzeit an der Grenze zu Österreich gibt. Auch könne die Schleierfahnung intensiviert werden.

Um Abschiebungen zu erleichtern, sind mehrere Gesetzesänderungen geplant. Unter anderem sollen Anordnung und Fortdauer von Abschiebehaft "unabhängig von etwaigen Asylantragstellungen möglich sein". Ausreisegewahrsam soll künftig maximal 28 statt wie bisher zehn Tage lang verhängt werden können. Neuankömmlinge aus den EU-Beitrittskandidaten Georgien und Moldau sollen zudem in der Regel keine Aussicht mehr auf Asyl haben.

Bund und Länder wollen zudem einen wirksameren Schutz der EU-Außengrenzen und eine faire Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU. Hier ist Deutschland aber auf die europäischen Partner angewiesen.

Als besonders wichtige Maßnahme hob Scholz hervor, dass Deutschland "ganz neue Arten von Migrationspartnerschaften abschließen wird". Dabei geht es um das Problem, dass manche Länder sich weigern, ihre in Deutschland als Asylbewerber abgelehnten Staatsbürger zurückzunehmen. Wann der neue Sonderbevollmächtige der Regierung für Migration, Joachim Stamp (FDP), hier zu Ergebnissen kommt, ist allerdings offen.

DJG/jhe/15.05.2023

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