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Habeck will Industriestrompreis mit bis zu 30 Mrd Euro fördern

Erscheinungsdatum Website: 05.05.2023 15:45:04
Erscheinungsdatum Publikation: 08.05.2023

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BERLIN (Dow Jones)--Das Bundeswirtschaftsministerium unter Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat ein Konzept zu einem zweistufigen Industriestrompreis vorgelegt, das innerhalb der Bundesregierung umstritten ist. Die Kosten schätzt das Ministerium auf 25 bis 30 Milliarden Euro. Auf mittlere Sicht sollen energieintensive Industriebetriebe, die im globalen Wettbewerb stehen, bis 2030 einen staatlich subventionierten Strompreis bekommen, der bei 6 Cent je Kilowattstunde liegen soll. Die Gelder sollen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) kommen, wozu aber neue parlamentarische Beschlüsse nötig seien.

Dazu wird Habeck zunächst Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) überzeugen müssen, der das Konzept eines staatlich subventionierten Industriepreises kritisch sieht. Auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) hat Bedenken. Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) hält den Plan hingegen für einen "Gamechanger". Die Industriegewerkschaft IGBCE sieht in dem Eckpunktepapier zudem als ein "klares Signal der Standortstärkung".

Der Industriestrompreis soll die aktuell geltende Strompreisbremse für Unternehmen ersetzen, die noch rund ein Jahr gültig ist. "Deutschlands Wohlstand basiert auch auf seiner starken industriellen Basis und wir brauchen diese starke Basis auch in Zukunft. Daher müssen wir jetzt die richtigen Weichen stellen", sagte Habeck.

Brückenstrompreis und Transformationsstrompreis

Insgesamt schlägt das Ministerium einen Industriestrompreis vor, der aus zwei Komponenten besteht. Erstens soll es den sogenannten "Brückenstrompreis" bis 2030 geben, um den Zeitraum bis zum angestrebten Strommix von 80 Prozent aus dem günstigeren erneuerbaren Energien zu überbrücken. Hier ist ein staatlich subventionierter Strompreis für die energieintensive Industrie von 6 Cent vorgesehen. Damit soll der Bund die Differenz zum Börsenstrompreis ausgleichen. Das Ministerium schätzt die Kosten dafür auf bis zu 30 Milliarden Euro.

Der Industriestrompreis soll zudem Sparanreize enthalten. Denn er soll nur auf 80 Prozent des Verbrauchs gezahlt werden. Unternehmen, die diese Brückenstrompreis erhalten, sollen im Gegenzug eine Transformationsverpflichtung eingehen sowie Tariftreue und Standortgarantie zusagen.

Zweitens soll es einen langfristigen "Transformationsstrompreis" geben, der Strom aus erneuerbaren Energien für die Industrie preisgünstig bereitstellt. Hier sollen erneuerbare Energien gezielt energieintensiven Unternehmen zugänglich gemacht werden, zu wettbewerbsfähigen Preisen.

Hier soll die Industrie durch Differenzverträge (Contracts for Difference, oder CfDs) und Abnahmeverträge (sogenannten Power Purchase Agreements, oder PPA) von den zu erwartenden günstigeren Strompreisen von Solar- und Windenergie profitieren. Bei diesen langfristigen Maßnahmen will das Ministerium "ohne direkte staatliche Unterstützung für die Unternehmen" auskommen, wie es in dem Papier heißt.

"Dauersubventionen passen nicht zu unserer Wirtschaftsordnung, und wir können sie auch nicht durchhalten. Bis der langfristige Transformationsstrompreis zur Verfügung steht, soll im Anschluss an die Strompreisbremse ein mittelfristiger Brückenstrompreis für energieintensive Unternehmen staatlich gefördert werden", so das Ministerium.

Energiepreisschock gefährdet Wohlstand und Industrie

Das Ministerium rechtfertigt seinen Vorschlag zu einem staatlich geförderten Industriestrom damit, dass man die energieintensiven Unternehmen in der aktuellen Energiekrise unterstützen müsse. "Der Energiepreisschock gefährdet akut Deutschlands Wohlstand und seine starke industrielle Basis. Es ist uns unter anderem mit den Energiepreisbremsen gelungen, die Lage in Deutschland aber auch in Europa zu stabilisieren. Das Erreichte dürfen wir jetzt nicht gefährden", so das Ministerium. "Deutschland braucht seine Grundstoffindustrien genauso wie neue Zukunftsindustrien." Dies sei eine Frage ökonomischer Vernunft, des sozialen Zusammenhalts, der geopolitischen Unabhängigkeit und Resilienz sowie eine Frage der klimapolitischen Verantwortung.

FDP sieht staatlich subventionierten Industriestrompreis kritisch

In der Ampel-Koalition haben neben den Grünen auch Sozialdemokraten einen Industriestrompreis gefordert. FDP-Chef Christian Lindner, der auch Bundesfinanzminister ist, sieht solch einen staatlich subventionierten Strompreis hingegen kritisch. Er sieht im Haushalt keinen finanziellen Spielraum für solche Subventionen und hält auch die Nutzung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds aus rechtlichen Gründen nicht für möglich, wie eine Ministeriumssprecherin deutlich machte. Er hält zudem die Abgrenzung für die Empfänger des Industriestroms für ungerecht, weil der Mittelstand davon nicht profitieren würde.

DIHK-Präsident Peter Adrian hat ebenfalls mit Skepsis auf das von Habeck vorgelegte Konzept für einen Industriestrompreis reagiert. "Viele Betriebe unterschiedlicher Größen und Branchen leiden unter den hohen Strompreisen. Wir brauchen daher für dieses sehr ernste Thema ein gut austariertes Gesamtkonzept und keinen Schnellschuss", sagte Adrian dem Handelsblatt.

Lob von der chemischen Industrie

Anders sieht es der Verband der Chemischen Industrie (VCI), die in den vergangenen Monaten wiederholt nach einem subventionierten Industriestrompreis gerufen hat. Die Branche ist energieintensive und leidet unter den hohen Strompreisen. "Daumen hoch. Das ist für unsere Industrie ein wichtiges Signal. Wichtig ist jetzt, dass der Industriestrompreis schnell und unbürokratisch kommt und bei der Umsetzung die Geburtsfehler der Strompreisbremse vermieden werden", sagte VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup. "Das wäre für unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit ein klarer Gamechanger."

Auch der Vorsitzende der Industriegewerkschaft IGBCE, Michael Vassiliadis, lobte Habecks Plan. "Gerade die energieintensiven Industrien stehen in den nächsten Jahren vor gewaltigen Investitionen, um ihre Produktionsprozesse klimagerecht zu modernisieren. Mit einem wettbewerbsfähigen Industriestrompreis geben wir ihnen die Sicherheit, dass sich der Weg der Transformation lohnt und dass man ihn in Deutschland gehen kann und nicht anderswo", sagte er in einer Stellungnahme.

DJG/aat/apo/08.05.2023

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