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Lindner will deutliche Änderungen bei Vorschlägen zu Stabilitätspakt

Erscheinungsdatum Website: 27.04.2023 20:45:02
Erscheinungsdatum Publikation: 02.05.2023

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BERLIN (Dow Jones)--Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat deutliche Änderungen an den Vorschlägen der EU-Kommission für eine Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts verlangt, damit Deutschland zustimmen könne. "Vorschläge, die einer Aufweichung des Stabilitäts- und Wachstumspakts gleichkommen, die könnte Deutschland nicht akzeptieren", hob er bei einem Statement hervor. Auch der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) und das Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW kritisierten die Pläne. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) pochte allerdings auch ausdrücklich auf ausreichenden finanziellen Spielraum für die EU-Staaten.

"Eine erste Durchsicht der Vorschläge zeigt: Es braucht noch deutliche Anpassungen, um aus dem Vorschlag wirklich verlässliche, transparente und verbindliche Regeln zu machen," erklärte Lindner. Die Vorschläge Brüssels entsprächen "noch nicht den Anforderungen der Bundesregierung". Bis zu einer Verabschiedung neuer Regeln hätten die aktuell gültigen weiter Bestand, hob er hervor. "Das ist wichtig für uns festzustellen." Lindner mahnte, die Fiskalregeln müssten zukünftig noch stärker die Grundlage für wirtschaftliche Stabilität und Wachstum sein. "Wir müssen dafür Sorge tragen, dass in Europa stabil gewirtschaftet wird und wir die hohen Schulden und Defizite überwinden."

Verlässlicher Pfad zu geringeren Schulden nötig

Die Bundesregierung prüfe die Vorschläge nun und sei auch konstruktiv. "Aber niemand darf sich einem Missverständnis hingeben, dass die Zustimmung der Bundesregierung automatisch gesichert ist", betonte Lindner. "Wir stimmen nur Regeln zu, die wirklich einen verlässlichen Pfad zu geringeren Schulden und stabilen Staatsfinanzen dann auch bringen werden."

Für die Bundesregierung sei zum einen essenziell, dass die Fiskalregeln einen realistischen und schrittweisen Abbau von Defiziten und Schuldenstandsquoten sicherstellten und zum anderen, "dass wir fiskalische Puffer in allen Mitgliedsstaaten haben, um auf kommende Krisensituationen zu reagieren".

Zudem sollten die Regeln weiter einen multilateralen Charakter haben und keine "weitgehende Bilateralisierung" vorsehen. Auch dürfe die Durchsetzung des Schuldenabbaus nicht allein ins Ermessen der Kommission gestellt werden. Im Brüsseler Vorschlag seien noch zu wenige numerische Vorgaben und Haltelinien vorgesehen. "Aber immerhin sind Ansatzpunkte im Vorschlag der Kommission erkennbar, die eine weitere Debatte lohnenswert erscheinen lassen", meinte Lindner.

Schuldenquoten sichtbar und kontinuierlich senken

Die angestrebte Reform der Finanzregeln sei "nicht ambitioniert genug", erklärte auch BVR-Präsidentin Marija Kolak. "Damit die Reform ein Erfolg wird, müssen die staatlichen Schuldenquoten künftig sichtbar und kontinuierlich in Richtung der Maastrichter Grenze von 60 Prozent sinken", betonte sie. Dies sei angesichts der im Reformvorschlag angelegten zu hohen Flexibilität bei den Haushaltszielen nicht gewährleistet. Eine Senkung der Schuldenquoten der Mitgliedsstaaten sei enorm wichtig, um unvorhergesehenen Herausforderungen begegnen zu können.

Seit dem Start der Währungsunion seien die Konsolidierungsanstrengungen hochverschuldeter Staaten im Euroraum zu gering gewesen. Auch hätte die EU-Kommission die Haushaltsregeln mit größerem Nachdruck verfolgen können. Daher sollte neben den Einschätzungen der Kommission bei den mittelfristigen Haushaltszielen auch eine unabhängige Haushaltsbehörde geschaffen werden, die die Einhaltung der Ziele durch die Mitgliedsstaaten überwache. Die in dem Reformvorschlag vorgesehene Ausgabenregel, nach der die Staatsausgaben nicht schneller wachsen dürfen als das Potenzialwachstum, könne ebenfalls ein positives Element zur Erhöhung der Fiskaldisziplin darstellen.

"Tür und Tor für breite Schuldenfinanzierung geöffnet"

Das ZEW betonte, die Kommission formuliere nun etwas verbindlichere Vorgaben, indem etwa EU-Länder mit einer Verschuldung von über 60 Prozent eine minimale jährliche Verringerung des Schuldenstands um 0,5 Punkte vorweisen sollten. "Dennoch lösen diese kosmetischen Anpassungen das Grundproblem des Kommissionsvorschlags nicht: Die Kommission enthält viel zu viel politischen Entscheidungsspielraum, wieviel Schulden sie zulassen darf", erklärte ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann. Der Katalog an Ausgaben, der prinzipiell höhere Schulden erlauben könnte, reiche von Digitalisierung über Klima- und Verteidigungspolitik bis hin zu sozialen Herausforderungen und Demographie. Damit wäre "Tür und Tor für die breite Schuldenfinanzierung fast aller Arten von Staatsausgaben geöffnet".

Habeck drang allerdings auch auf ausreichenden finanziellen Spielraum für die EU-Staaten in der ökologischen Transformation. Bei einer Pressekonferenz betonte Habeck, "dass zu dieser transformativen Angebotspolitik auch attraktive Finanzbedingungen gehören". Diese habe man im Moment noch nicht überall. "Wir werden besser wieder, wir arbeiten uns heraus aus der drohenden Energiekrise, den hohen Preisen des letzten Jahres", betonte der Vizekanzler. "Deswegen sollte für alle europäischen Staaten genug finanzieller Spielraum da sein, um Transformationstechnologien und damit Wertschöpfung für morgen an die Standorte binden zu können."

DJG/ank/mgo/02.05.2023

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