Nachrichten für Außenhandel (NfA)

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Lateinamerika: Deutschland ringt mit China um Einfluss
Erscheinungsdatum Website: 14.03.2023 15:45:02
Erscheinungsdatum Publikation: 15.03.2023
Volksrepublik steigert die Investitionen
KÖLN (NfA)--Die Südamerika-Reise von Robert Habeck und Cem Özdemir unterstreicht die gewachsene Bedeutung des Kontinents - bei Handel und Klimaschutz braucht Deutschland neue Partner. Doch der globale Systemkonflikt ist auch dort längst im Gange: China hat seine Investitionen in der Region zuletzt stark erhöht, wie das Institut der deutschen Wirtschaft berichtet.
Wirtschaftsminister Habeck und Agrarminister Özdemir sind am Samstag für sechs Tage nach Südamerika gereist. Deutschland will enger mit Brasilien und Kolumbien zusammenarbeiten, zudem soll die Ratifizierung des Mercosur-Abkommens näher rücken. Neben neuen wirtschaftlichen Allianzen erhofft man sich Zugänge zu unverzichtbaren Rohstoffen wie Seltenen Erden, aber auch grünem Wasserstoff. Die Bundesregierung hat die beiden Länder wegen ihres Reichtums an solchen Rohstoffen als zentrale Partner in der Handels- und Klimapolitik ausgemacht.
Doch nicht nur Deutschland hat die strategische Bedeutung Südamerikas erkannt, auch China mischt in der Amazonasregion stark mit. So flossen 2021 mindestens 5,8 Mrd Dollar chinesische Neuinvestitionen nach Brasilien. Weil die Datenlage intransparent ist, dürfte der tatsächliche Wert deutlich höher ausfallen. Zwischen 2015 und 2020 lag das Investment hingegen im Durchschnitt nur bei 4,2 Mrd Euro. In Kolumbien tätigte die Volksrepublik 2021 mit einem einzigen Großinfrastrukturprojekt eine Investition in Höhe von 3,8 Mrd Dollar. Durch strategische Engagements in Energie- und Verkehrsinfrastruktur versucht Beijing seit Jahren, seinen Einfluss in der Region zu mehren.
Die deutschen Investitionen in Brasilien sind hingegen in den vergangenen Jahren zurückgegangen. 2019 lag der Investitionsbestand noch bei 21 Mrd Euro, ein Jahr später war er auf 17,7 Mrd gefallen. Deutsche Firmen haben vor allem in den Automobilsektor, die chemische Industrie sowie den Maschinenbau investiert - strategisch wichtige Zukunftssektoren spielen kaum eine Rolle. ?Deutsche Unternehmen haben das makroökonomische Risiko der Region gescheut und sich stattdessen auf China fokussiert. Doch die Zeiten haben sich geändert. Deutschland muss sich von der Volksrepublik emanzipieren und braucht neue Partner?, fordert IW-Ökonom Simon Gerards Iglesias.
Kurzfristig sind beide Länder jedoch auch wichtige Lieferanten für fossile Energieträger in der aktuellen Energiepreiskrise. Die Menge der importierten Kohle aus Kolumbien stieg 2022 etwa um 206%. Insbesondere Brasilien verfügt auch über andere wichtige Rohstoffe, die als kritisch für die Dekarbonisierung eingestuft werden, darunter Tantal, Niob, Zinn und Seltene Erden.
Zudem sind Brasilien und Kolumbien wegen ihrer großen Waldbestände Schlüsselstaaten bei der Erreichung der globalen Klimaziele. Kolumbien ist schon seit einiger Zeit einer der führenden Klimaakteure in der Region. Brasiliens Präsident Lula hat angekündigt, den Amazonas-Regenwald stärker zu schützen. Beide Länder wären wichtige Partner im von Olaf Scholz angedachten Klimaclub.