Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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EZB liefert erneut ein 50+50-Paket aus

Erscheinungsdatum Website: 10.03.2023 18:50:02
Erscheinungsdatum Publikation: 13.03.2023

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FRANKFURT (Dow Jones)--Die Auslieferung von Post-Paketen mag derzeit unsicher sein, aber die Europäische Zentralbank (EZB) wird am Donnerstag auf jeden Fall liefern. Volkswirte erwarten ein weiteres 50+50-Paket, was bedeutet: Der EZB-Rat dürfte erneut eine Anhebung der Zinsen um 50 Basispunkte beschließen und einen weiteren Schritt dieser Größenordnung für Mai in Aussicht stellen. Das wäre eine Wiederholung des im Dezember befolgten Schemas, wobei Analysten uneins darüber sind, wie deutlich die EZB-Zusage für Mai ausfallen wird. Die Woche bringt außerdem einige Konjunkturdaten aus den USA, wobei nach dem starken Arbeitsmarktbericht die Verbraucherpreise für Februar im Mittelpunkt des Interesses stehen dürften.

Da die EZB für März bereits einen Zinsschritt von 50 Basispunkten auf 3,00% (Einlagensatz) angekündigt hat, liegt das Augenmerk der Beobachter auf möglichen Aussagen zum weiteren Zinskurs. Der ESTR-Forward preist für das Jahresende einen Einlagenzins von 4% ein, was beispielsweise einen Zinsschritt von 50 Basispunkten im Mai und zwei weiteren kleinen Schritten entspräche. Werden die EZB und ihre Präsidentin Christine Lagarde versuchen, diese Erwartung zu schwächen? Das ist eher nicht absehbar.

Deshalb ist zu erwarten, dass Rat oder Lagarde auf die eine oder anderen Weise zu verstehen geben werden, dass für Mai mit erneut 50 Basispunkten zu rechnen ist. Möglicherweise werden sie stärker als im Dezember die Datenabhängigkeit dieser Aussage betonen und auf vorher anstehende Veröffentlichungen wie den Quartalsbericht zur Kreditvergabe oder die Verbraucherpreise und Inflationserwartungen verweisen. Aber die Grundtendenz sollte klar sein.

Der EZB-Rat hat seit Sommer vergangenen Jahres verlässlich mit "hawkishen Überraschungen" auf unliebsame Inflationsdaten reagiert. Das liegt nicht daran, dass in diesem Gremium die "Falken" die Oberhand hätten, sondern daran, dass es ausreichend Mitglieder gibt, die 8% Inflation zu hoch finden und möglicherweise aus Ländern kommen, wo die Inflationsrate sogar zweistellig ist. Bis zuletzt hat die Furcht dominiert, die Inflation nicht schnell genug unter Kontrolle zu bekommen. Diese Sorgen haben zuletzt dadurch Futter bekommen, dass die Kerninflationsrate im Februar unerwartet auf 5,6 (Januar: 5,3)% gestiegen ist.

Zugleich liegen dem EZB-Rat neue Inflationsprognosen des volkswirtschaftlichen Stabs vor, die eigentlich die entscheidende Einflussgröße für die Geldpolitik sein sollten. Dass aktuelle Inflationsdaten und nicht die Prognosen eine so starke Rolle bei der Steuerung der Geldpolitik spielen, liegt daran, dass die Inflationsaussichten ungewöhnlich unsicher sind und Makro-Modelle zuletzt oft weit danebengelegen haben. Analysten erwarten überwiegend, dass die aktuelle Inflationsprognose für 2023 deutlich unter der von Dezember liegen wird. Dafür dürfte aber die Kerninflationsprognose gestiegen sein. Was die Inflationsprognosen für 2024 und 2025 angeht, gehen die Meinungen auseinander.

EZB-Chefvolkswirt Philip Lane hatte kürzlich gesagt, dass der Rückgang der Energiepreise seit Dezember ein inflationssenkender Schock gewesen sei, der sich in den Projektionen zeigen dürfte. Gleiches gilt für den höheren Euro-Kurs und die seither beschlossenen Zinserhöhungen. Gleichwohl dürfte die EZB außerdem ein höheres Wirtschaftswachstum prognostizieren, was für sich genommen wieder für mehr Inflationsdruck über den Arbeitsmarkt spricht. Die EZB veröffentlicht ihre geldpolitischen Entscheidungen am Donnerstag (14.15 Uhr). Die Pressekonferenz mit Lagarde beginnt gegen 14.45 Uhr.

Die EZB strafft ihre Politik nicht nur durch höhere Zinsen, sondern auch durch den Abbau ihrer Bilanz. Die Banken des Euroraums erhalten nun erneut die Gelegenheit, einen Teil ihrer im Rahmen von TLTRO-Geschäften bei der EZB aufgenommenen Kredite vorfristig zurückzuzahlen. Allerdings dürfte der Betrag eher moderat ausfallen und zumindest aus geldpolitischer Sicht nichts am großen Bild ändern:

2023 werden vier TLTRO mit einem ursprünglichen Volumen von 1.648 Mrd Euro fällig, von denen schon 717 Mrd vorfristig getilgt wurden. Die verbleibenden 931 Mrd Euro machen ein knappes Viertel der Überliquidität im Bankensystem von derzeit 4.152 Mrd Euro aus. Der größte Betrag sind jene 760 Mrd Euro, die am 28. Juni auslaufen. Die nächste Fälligkeit am 29. März beträgt 83 Mrd Euro. Damit die werden TLTRO-Fälligkeiten bis ins nächste Jahr hinein den größten Anteil an der fälligen Verkleinerung der EZB-Bilanz haben.

In den USA befeuert ein chronischer Arbeitskräftemangel die Inflation. Viele Arbeitgeber erhöhen die Löhne, um Arbeitskräfte zu gewinnen oder zu halten. Diese Arbeitgeber wiederum erhöhen ihre Preise, um die höheren Arbeitskosten auszugleichen, und heizen damit die Inflation an. Fed-Chef Jerome Powell hat angesichts der hartnäckig hohen Inflation wieder größere Zinsschritte andeutet, nachdem die Zentralbank ihre Schritte schon von 75 auf zunächst 50 und zuletzt auf 25 Basispunkte verringert hatte. Er stellte auch einen höheren Zinsgipfel in Aussicht.

An den Terminmärkten ist für die nächste Sitzung am 22. März eine Zinserhöhung um 50 Basispunkte eingepreist. Ökonomen rechnen nach dem Factset-Konsens für Februar mit einem Rückgang der jährlichen Inflationsrate von 6,4 auf 5,9% in der Gesamtrate. In der Kernrate soll die Teuerung von 5,6 auf 5,4% sinken. Die Fed strebt eine Inflationsrate von 2% an. Die Daten werden am Dienstag veröffentlicht und zwar wegen der Umstellung auf Sommerzeit in den USA bereits um 13.30 Uhr MEZ.

Weitere Daten mit Inflationsbezug sind die Erzeugerpreise (Mittwoch, 13.30 Uhr) und die Importpreise (Donnerstag, 13.30 Uhr). Außerdem kommen die Einzelhandelsumsätze und der Empire-State-Index (Mittwoch, 13.30 Uhr), der Philly-Fed-Index (Donnerstag, 13.30 Uhr) und die Industrieproduktion (Freitag, 13.30 Uhr).

DJG/hab/sha/smh

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