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EZB/Lagarde: Rezession würde Inflation zu wenig und zu spät reduzieren

Erscheinungsdatum Website: 04.11.2022 17:41:43
Erscheinungsdatum Publikation: 07.11.2022

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FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) kann sich nach den Worten ihrer Präsidentin Christine Lagarde bei der Inflationsbekämpfung nicht auf den preisdämpfenden Einfluss einer Rezession verlassen. Lagarde sagte in einer Konferenz der estnischen Zentralbank, dass deren Wirkungen zu spät kämen und zu schwach wären, um die Nachfrage ausreichend zu dämpfen.

Sollte die Inflation hartnäckiger sein als erwartet und sollten die Inflationserwartungen steigen, würde die EZB zusätzlicher Maßnahmen ergreifen, sagte Lagarde. "Aktuelle Inflationszahlen sind insofern relevant, als sie zusätzliche Erkenntnisse über die Hartnäckigkeit der Inflation liefern."

Lagarde positionierte sich in ihrer Rede in einigen Punkten deutlich anders als der als geldpolitische "Taube" bekannte EZB-Direktor Fabio Panetta am Vortag. "Die Vergangenheit zeigt, dass wir nicht erwarten sollten, dass eine Verlangsamung des Wachstums die Inflation nennenswert dämpfen wird, zumindest nicht auf kurze Sicht", sagte Lagarde laut veröffentlichtem Redetext.

Ein Blick auf frühere Rezessionen im Euroraum zeige dass die Gesamtinflation ein Jahr danach im Durchschnitt um etwa 1,1 Prozentpunkte zurückgehe, während die Kerninflation um etwa die Hälfte dieses Betrags sinke. Lagarde zufolge zeigen EZB-Analysen, dass Nachfrage- und Angebotsfaktoren derzeit mehr oder weniger gleichmäßig zur Kerninflation beitragen.

Panetta hatte am Vortag gesagt, dass die EZB bei ihren Maßnahmen auch die Straffung durch die US-Notenbank berücksichtigen müsse, die für den Euroraum "vergleichbare" Auswirkungen haben wie für die USA. Lagarde sagte: "Selbst die zusätzlichen Auswirkungen ausländischer Spillover-Effekte auf die Nachfrage werden die Inflation kurzfristig nicht unbedingt senken. Unsere Analyse zeigt, dass die Straffung der US-Politik die Inflation im Euroraum mittelfristig tendenziell verringert." Kurzfristig würde die Inflation jedoch steigen, wenn der Euro gegenüber dem US-Dollar abwerte und die Rohstoffpreise in Euro stiegen.

Panetta hatte die EZB zu mehr Vorsicht bei ihrer geldpolitischen Straffung und einer entsprechend vorsichtigeren Kommunikation aufgefordert. Lagarde hielt dem entgegen: "Sollten wir ... feststellen, dass sich die Inflation hartnäckiger hält und sich die Inflationserwartungen zu lösen drohen, können wir nicht warten, bis die Auswirkungen der politischen Maßnahmen voll zum Tragen kommen. Wir müssten zusätzliche Maßnahmen ergreifen, bis wir zuversichtlicher sind, dass die Inflation rechtzeitig zum Zielwert zurückkehren wird."

DJG/hab/jhe/07.11.2022

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