Märkte der Welt

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Xis widersprüchliche Vision für die Zukunft

Erscheinungsdatum Website: 19.10.2022 14:00:06
Erscheinungsdatum Publikation: 20.10.2022

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Hohe Jugendarbeitslosigkeit / Von Nathaniel Taplin

BEIJING (Dow Jones)--Der große Moment des chinesischen Staatschefs Xi Jinping ist gekommen. Während er sich darauf vorbereitet, seine dritte Amtszeit an der Spitze des Landes anzutreten, läuft er jedoch Gefahr, Chinas Chancen auf dem Weg zur führenden Weltmacht zu verspielen. Das Ziel der Eigenständigkeit nach innen ist nicht nur unklug, es könnte auch ein historischer Fehler sein.

Xi kann auf einige große Erfolge verweisen. So lag Chinas Pro-Kopf-Einkommen im Jahr 2021 bei mehr als 12.550 US-Dollar. Das ist etwa doppelt so hoch wie 2012, als er das Ruder übernahm. Damit klopft China an die Tür der Länder, die nach der Definition der Weltbank über hohe Einkommen verfügen und nicht nur als "mäßig wohlhabend" gelten. So erfüllt sich ein lange verfolgtes Ziel, das seit Jahrzehnten in der Doktrin der Kommunistischen Partei verankert ist. Zwar sind Chinas Umweltprobleme nach wie vor beängstigend, aber das Land hat stetige Fortschritte gemacht.

Trotz dieser Errungenschaften war die Vision, die Xi in seiner Rede vorstellte, zutiefst widersprüchlich. Vor allem war sie deshalb bemerkenswert, weil sie keinen Ausweg aus dem Null-Covid-Labyrinth oder eine wirksame Medizin zur Heilung des siechenden Wohnungs- und Technologiesektors sowie für den Arbeitsmarkt bot.

Die fast zweistündige Rede war im Wesentlichen politisch, doch die Wirtschaft stand im Mittelpunkt: Als Prioritäten für die nächsten fünf Jahre wurden eine qualitativ hochwertige wirtschaftliche Entwicklung wie die Hightech-Produktion und eine größere Eigenständigkeit in Wissenschaft und Technologie genannt. Die Rede bezeichnete "Talente als unsere wichtigste Ressource" und hob Pläne hervor, "die klügsten Köpfe aus aller Welt anzuziehen". Sie endete mit einem Appell an die jungen Menschen des Landes, die historischen Chancen, die sich ihnen bieten, zu nutzen.

Xis Rede litt jedoch auch unter einer gewissen Unvereinbarkeit. Die Jugendarbeitslosenquote in China liegt derzeit bei etwa 19%. Ein großer Teil dieser Bilanz ist direkt oder indirekt auf Beijings wiederentdeckte Besessenheit von seiner Eigenständigkeit zurückzuführen - oft auf Kosten des Wachstums. Die anhaltende Isolation unter der "dynamischen Null-Covid"-Politik ist auch das Ergebnis einer frühen politischen Entscheidung, auf wirksamere ausländische mRNA-Impfstoffe zugunsten heimischer Impfstoffproduzenten zu verzichten. Zudem war das Regime bestrebt, maximalen politischen Nutzen aus dem Vergleich von Chinas niedriger Todesrate mit der anfangs desaströsen Reaktion westlicher Demokratien auf Corona zu ziehen. Viele ältere Menschen im Reich der Mitte, die dem Impfstoff bereits skeptisch gegenüberstehen und davon überzeugt sind, dass das Virus eingedämmt ist, haben es abgelehnt, sich vollständig impfen oder auffrischen zu lassen. Auf der Grundlage der jüngsten öffentlich zugänglichen Impfdaten und der Pandemie-Welle in Hongkong Anfang 2022 - wo die Impfquote bei älteren Menschen ebenfalls gefährlich niedrig war - schätzt Capital Economics, dass eine Öffnung jetzt allein in der Altersgruppe der über 80-Jährigen zu 1,5 Mio Todesfällen führen könnte.

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