Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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US-Wirtschaft in paradoxer Lage

Erscheinungsdatum Website: 12.08.2022 15:15:03
Erscheinungsdatum Publikation: 15.08.2022

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FRANKFURT (Dow Jones)--Die US-Wirtschaft befindet sich in einer paradoxen Lage: Das spektakuläre Jobwachstum im Juli hat die Rezessionsängste gelindert, aber zugleich auch die Inflations- und Zinsängste befeuert. Denn sollte sich die hohe Teuerung festsetzen, muss die US-Notenbank ihre Geldpolitik vielleicht so stark straffen, dass es am Ende doch einer Rezession bedarf, um die Inflation unter Kontrolle zu bekommen. Nach dem US-Jobbericht steht jedenfalls fest, dass die US-Notenbank sich ganz auf die Bekämpfung der Inflation konzentrieren kann.

Die US-Inflation ist im Juli zwar auf eine Jahresrate von 8,5 (Juni: 9,1)% gesunken und wahrscheinlich hat sie damit den Höhepunkt überschritten; allerdings spielte der Einbruch des Benzinpreises eine entscheidende Rolle. Der weitere Rückgang der Inflationsrate dürfte daher nur langsam vonstatten gehen.

Der Fed-Vorsitzende Jerome Powell hat erklärt, dass die Zentralbank klare und überzeugende Beweise dafür sehen will, dass der Preisdruck nachlässt, bevor sie die Zinserhöhungen verlangsamt oder aussetzt. Ein einziger Bericht dürfte da zu wenig sei. Bei der Fed-Sitzung im September könnte daher durchaus eine dritte Zinserhöhung um 75 Basispunkte auf der Agenda stehen.

Der US-Arbeitsmarkt war in der Corona-Krise zeitweise dramatisch eingebrochen. Mittlerweile hat er sich deutlich erholt und die Firmen klagen über Arbeitskräftemangel. Auch die Löhne ziehen deutlich an. Dennoch befindet sich auch die US-Regierung von Präsident Joe Biden in einer paradoxen Lage: Anstatt die Lorbeeren für die volle Beschäftigung und die steigenden Löhne einzuheimsen, fallen ihre Umfragewerte wegen der hohen Inflation, die fast alle Produktgruppen erfasst hat.

US-Konjunkturdaten schreiben Entwicklung fort

In der Woche stehen einige US-Konjunkturdaten an, mittels derer sich die Entwicklung der US-Wirtschaft fortschreiben lässt. Am Montag kommt der Empire-State-Index für August; der New Yorker Konjunkturindex ist meist der erste regionale Indikator, der von den Fed-Filialen in einem Monat veröffentlicht wird.

Am Dienstag folgen die US-Industrieproduktion und die Kapazitätsauslastung für Juli. Das verarbeitende Gewerbe in den USA hat sich in diesem Jahr trotz der Engpässe in der Versorgungskette und der steigenden Kosten, die die Produktionstätigkeit seit einiger Zeit belasten, gut gehalten. Es wird allerdings erwartet, dass sich die Produktion in den kommenden Monaten verlangsamen wird, da die Nachfrage schwächer wird.

Am Mittwoch stehen zunächst die US-Einzelhandelsumsätze an und am Abend das Protokoll der Fed-Sitzung vom 26. und 27. Juli. Damals hatte die Fed ihren Leitzins zum zweiten Mal in Folge um 75 Basispunkte erhöht. Seit Jahresbeginn hat die Fed insgesamt vier Zinserhöhungen um zusammen 225 Basispunkten vorgenommen.

Am Donnerstag folgt dann der Philadelphia-Fed-Index für August und die wöchentliche Vorlage der Erstanträge für die Arbeitslosenhilfe. Am Freitag gibt es keine US-Konjunkturdaten. Die übrigen Konjunkturdaten der Woche, auf die Anleger achten werden, kommen aus Deutschland, Großbritannien und Japan. Der ZEW-Index für August dürfte den Abwärtstrend der deutschen Wirtschaft bestätigen, Ökonomen rechnen mit einem Rückgang von 53,8 auf 51,0 Punkte.

Die britische Jahresinflation, die im Juni mit 9,4% bereits den höchsten Wert seit April 1982 markierte, dürfte im Juli weiter zugelegt haben. Die Bank of England erwartet, dass sie sich bis Oktober auf über 11% beschleunigen wird.

Japans Wirtschaft erholt sich von Kontraktion

Japans Wirtschaft hat sich im zweiten Quartal von der Schrumpfung im Vorquartal erholt. Den wesentlichen Impuls dürften solide Verbraucherausgaben geliefert haben, die nicht mehr durch Corona-Beschränkungen behindert wurden. Außerdem sollte es wegen zunächst aufgeschobener Unternehmensinvestitionen einen Nachholeffekt geben.

Ökonomen erwarten nach dem Factset-Konsens, dass die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt zwischen April und Juni mit einer annualisierten Rate von 3,0% gewachsen ist, nachdem sie im ersten Quartal um 0,5% geschrumpft war. Für das laufende dritte Quartal sind Analysten jedoch besorgt über zunehmende Risiken, einschließlich einer weltweiten Konjunkturabschwächung und eines Wiederauftretens von Corona-Fällen in Japan.

DJG/apo/smh

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