Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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Deutsche Wirtschaft in kritischer Lage
Erscheinungsdatum Website: 05.08.2022 19:40:01
Erscheinungsdatum Publikation: 08.08.2022
FRANKFURT (Dow Jones)--Während Deutschland in der Sommerhitze brütet und die Menschen sich nach Urlaub von den vielen Krisen sehnen, braut sich ein Sturm zusammen, der im Herbst mit gewaltiger Kraft losbrechen könnte. Manche Experten warnen sogar davor, dass die bevorstehende Wirtschaftskrise schlimmer werden könnte als die Finanzkrise im Jahr 2008 oder die Corona-Pandemie 2020. Insbesondere die hohe Inflation und die Angst vor einer Gaskrise verunsichern Bürger und Unternehmen gleichermaßen.
Wie sich die deutsche Wirtschaft am Ende tatsächlich entwickelt, hängt aber vor allem von Wladimir Putin und seinen Gaslieferungen gab. Russland hat den Durchfluss schon mehrfach gedrosselt und liefert aktuell nur 20 Prozent der üblichen Menge. Damit könne Deutschland jetzt im Sommer zwar immer noch Gas einspeichern, sagte Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, im Deutschlandfunk. Aber im Herbst ändere sich die Lage - deswegen seien schon jetzt "alle Sparanstrengungen notwendig".
Ob es im Herbst zu einer katastrophalen Gaskrise kommt, hängt neben Putins Entscheidungen auch von der Temperatur im Herbst, von den Einsparerfolgen der Industrie, den Lieferungen der Nachbarländer und der Inbetriebnahme der Flüssiggas-Terminals ab. Weil solche Faktoren nicht abgefragt werden können, haben Frühindikatoren wie Sentix-Index, Ifo-Geschäftsklima und ZEW-Erwartungen derzeit wenig Aussagekraft.
Sentix-Erwartungen bereits auf Allzeittief
In der Woche stehen nur wenige gewichtige Konjunkturindikatoren auf dem Kalender - etwa der Sentix-Index am Montag, der OECD-Frühindikator am Dienstag und die US-Verbraucherpreise am Mittwoch. Zudem legen Opec und IEA ihre Monatsberichte zum globalen Ölmarkt vor. Aus Großbritannien kommen die Daten zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal.
Im Juli war der Sentix-Konjunkturindex für Deutschland schon wegen der Gefahr eines Kollapses der Energieversorgung abgestürzt. Die Erwartungen brachen sogar auf ein Allzeittief ein, ließen also sogar die Werte während der Krisen 2008 und 2020 hinter sich. Eine Rezession scheint bei solchen Werten unausweichlich zu sein, die Umfragewerte für August dürften das bestätigen.
Im Juli war auch das Ifo-Geschäftsklima, für das etwa 9.000 Unternehmen ihre gegenwärtige Geschäftslage und die Erwartungen für die nächsten sechs Monate beurteilen, auf den niedrigsten Stand seit gut zwei Jahren gesunken. "Hohe Energiepreise und drohende Gasknappheit belasten die Konjunktur", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. "Deutschland steht an der Schwelle zur Rezession."
Die Ökonomen der Deutschen Bank sehen die deutsche Wirtschaft auch ohne Gasstopp auf dem Weg in die Rezession. Nach einem Wachstum um rund 1,3 Prozent im Jahr 2022 dürfte das BIP im Basisszenario im nächsten Jahr um etwa 1 Prozent schrumpfen. Und in einem Gasstopp-Szenario würde die deutsche Wirtschaft um 5 bis 6 Prozent einbrechen.
Benzinpreis in den USA spürbar gesunken
Der beträchtliche Rückgang der Benzinpreise an den Zapfsäulen könnte einen wichtigen Einfluss auf die anstehenden Daten zu den US-Verbraucherpreisen haben. Der Preis je Gallone ist nach den Daten der American Automobile Association (AAA) im Juli um 13 Prozent gefallen und liegt jetzt bei etwa 4,20 Dollar. Seit Mitte Juni, als der Durchschnittswert ein Allzeithoch von 5,02 Dollar erreichte, ist er kontinuierlich gesunken. Ökonomen rechnen für Juli mit einem leichten Rückgang der US-Teuerung auf eine Jahresrate von 8,8 (Vormonat: 9,1) Prozent.
Die Daten des Bureau of Labor Statistics sind jedoch saisonal bereinigt und werden auf der Grundlage von Tagesdurchschnitten berechnet, die mit den Tagesdurchschnitten des Vormonats verglichen werden. Daher kann der Verbraucherpreisindex für die Benzinpreise anders ausfallen als der deutliche Rückgang, den die Daten der AAA widerspiegeln.
DJG/apo/smh