Märkte der Welt

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Konjunkturprogramme entdecken nachhaltige Investitionen

Erscheinungsdatum Website: 24.11.2021 14:20:05
Erscheinungsdatum Publikation: 25.11.2021

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Alternativen zur Bauindustrie gesucht / Von Nathaniel Taplin

BEIJING (Dow Jones)--In den vergangenen zehn Jahren standen bei chinesischen Konjunkturprogrammen in der Regel Wohnungsbau und Stahlindustrie im Mittelpunkt, während die grüne Infrastruktur nur eine Nebenrolle spielte. Doch auch Beijing scheint das ökonomische Potenzial grüner Technologie langsam zu entdecken.

So kündigte die People's Bank of China (PBoC) kürzlich eine neue Kreditfazilität zur Verringerung von CO2-Emissionen an. Auf diesem Wege sollen Banken günstige Mittel erhalten, um saubere Energie, Energieeffizienz und ähnliche Projekte zu finanzieren. Der Umfang ist noch unklar, aber HSBC rechnet damit, dass das Programm in den nächsten Jahren 1 Bill Yuan (139 Mrd Euro) erreichen könnte.

Banken werden einen starken Anreiz haben, diese Fazilität zu nutzen, denn sie ist extrem günstig. Der Zinssatz beträgt 1,75% gegenüber etwa 2,1% für einen Interbankenkredit mit einer Laufzeit von sieben Tagen und fast 3% für die wichtige einjährige Kreditfazilität der PBoC. Unabhängig davon wurde vergangene Woche in staatlichen Medien ein zusätzliches 200-Mrd-Yuan-Darlehensprogramm für "saubere" Kohle angekündigt.

Es besteht kaum ein Zweifel daran, dass diese neuen Fazilitäten die Kreditvergabe ankurbeln werden, zumal die Kreditnehmer im Energiesektor größtenteils in Staatsbesitz sind und daher aus Sicht der Banken attraktive Kunden darstellen. Weniger sicher ist, wie wirksam solche Investitionen sein werden, um Emissionen schnell zu reduzieren oder die Wirtschaft auf einen finanziell nachhaltigeren Weg zu bringen.

Ein potenzielles Problem besteht darin, dass klamme Lokalregierungen Wege finden könnten, Projekte "grün zu waschen", um Zugang zu günstigen Bankkrediten zu erhalten. Die PBoC möchte dem vorbeugen und sagte bereits, dass die Kreditgeber den Umfang der Emissionsreduzierungen öffentlich bekannt geben und von einer qualifizierten dritten Stelle überprüfen lassen sollen.

Ein weiterer Grund für das Programm ist, dass China gerade einen enormen Investitionsschub in die Windenergie aus dem Jahr 2020 hinter sich hat. Nach Angaben der chinesischen Energieregulierungsbehörde ging der Anteil vergeudeter Windenergie in der ersten Jahreshälfte 2021 um 0,3 Prozentpunkte auf 3,6% zurück. Die Stromengpässe der vergangenen Wochen bedeuten, dass der Anteil ungenutzter Windkraft auch noch Ende 2021 niedrig sein dürfte. Gleichzeitig laufen die Kohlekraftwerke wieder auf Hochtouren. Und da die Investitionen in die Windenergie im vergangenen Jahr um fast 75 Prozentpunkte stärker gestiegen sind als die Investitionen in das Stromnetz, besteht die Gefahr, dass neue Wind- und Solarkraftwerke am Ende Strom produzieren, ohne dass die Netzkapazitäten dafür vorhanden sind. Gut angelegt wären also vor allem neue Finanzmittel für ein flexibleres Netz oder den Bau von Pumpspeicherwerken, die überschüssigen Strom aus Wind und anderen Quellen nutzen.

Es ist verlockend, solche Ankündigungen als Augenwischerei abzutun, um von Chinas Kohlepolitik abzulenken, während die Klimakonferenz von Glasgow allmählich in den Hintergrund rückt. Andererseits ist China gezwungen, sich einer grundlegenden Realität zu stellen: Das Land ist sehr anfällig für den Klimawandel und braucht außerdem etwas, das den Immobiliensektor als Wachstumsmotor ersetzt. Eine deutliche Verlangsamung des Immobilienmarktes scheint immer noch unvermeidlich. Ein grüner Infrastruktur- und Technologieboom könnte ein guter Ausgleich dafür sein.

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