Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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EZB/Schnabel sieht Aufwärtsrisiken für Inflation

Erscheinungsdatum Website: 23.11.2021 20:15:03
Erscheinungsdatum Publikation: 24.11.2021

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FRANKFURT (Dow Jones)--EZB-Direktorin Isabel Schnabel sieht das Risiko, dass die Verbraucherpreise im Euroraum stärker als erwartet steigen werden, rechnet aber gleichwohl damit, dass die Inflation mittelfristig unter der Zielmarke von 2 Prozent liegen wird. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg deutete Schnabel an, dass die Europäische Zentralbank (EZB) zumindest für eine Übergangsphase die Flexibilität des Pandemiekaufprogramms PEPP über ein Ende der Nettokäufe im März 2022 hinaus gebrauchen könnte.

Über das PEPP wird der EZB-Rat am 16. Dezember beraten. Eine Entscheidung über eine mögliche Fortführung der langfristigen und gezielten Refinanzierungsgeschäfte muss laut Schnabel nicht schon im Dezember getroffen werden.

"Es ist plausibel anzunehmen, dass die Inflation mittelfristig unter unser Ziel von 2 Prozent fallen wird, die Risiken für die Inflation sind jedoch eher aufwärts gerichtet", sagte Schnabel. Die Unsicherheit hinsichtlich des Tempos und des Ausmaßes des Rückgangs habe zugenommen.

Die Verbraucherpreise im Euroraum sind im Oktober mit einer Jahresrate von 4,1 Prozent gestiegen. Diese kurzfristige Entwicklung ist für die EZB aber nur in dem Maße wichtig, wie sie die Inflationserwartungen beeinflusst, und diesbezüglich äußerte sich Schnabel nicht beunruhigt. "Wir sehen derzeit, dass die langfristigen Inflationserwartungen begonnen haben, sich unserem Zwei-Prozent-Ziel anzunähern. Bis jetzt würde ich sagen, dass dies eine gute Nachricht ist."

Entscheidend für die EZB sind die Erwartungen für die mittlere Frist. Im September prognostizierte die EZB für 2022 und 2023 Inflationsraten von nur 1,7 und 1,5 Prozent. Im Dezember veröffentlicht sie aktualisiert Prognosen und erstmals auch eine für 2024.

Schnabel sagte dazu: "Im Vergleich zu unseren Projektionen vom September würde ich für die Zukunft höhere Inflationszahlen erwarten, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass die Unterbrechungen in der Lieferkette hartnäckiger sind, als wir ursprünglich angenommen hatten." Zweitrundeneffekte am Arbeitsmarkt seien noch nicht zu erkennen, die EZB wisse aber aus ihren Umfragen, dass die Unternehmen selbst mit einer höheren Lohndynamik rechneten.

Schnabel zufolge sollte sich die EZB angesichts der hohen Unsicherheit der Inflationsaussichten geldpolitisch nicht zu langfristig festlegen. "Unsere starke Forward Guidance schützt uns vor verfrühten Zinserhöhungen, aber wir müssen auch in der Lage sein, auf positive Überraschungen zu reagieren, sollten sie eintreten", sagte die EZB-Direktorin. Die EZB müsse die Daten abwarten, um mehr Klarheit darüber zu bekommen, was nach den ungewöhnlichen Inflationsbewegungen dieses und des nächsten Jahres geschehen werde.

Laut Schnabel sollte die EZB danach streben, die innerhalb des PEPP mögliche Flexibilität bei Anleihekäufen vorerst zu bewahren. "Besonders in der Übergangsphase ist das wichtig", sagte sie. Die Corona-Krise sei keine Schwarz-Weiß-Sache. Wie genau dies organisiert werden könne, werde im Dezember entschieden - sie selbst halte eine Übertragung der PEPP-Flexibilität auf das APP nicht für nötig.

DJG/hab/smh

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