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Umweltbundesamt fordert schnellen Abbau umweltschädlicher Subventionen

Erscheinungsdatum Website: 29.10.2021 17:35:03
Erscheinungsdatum Publikation: 01.11.2021

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BERLIN (Dow Jones)--Der Abbau von Steuervergünstigungen würde der öffentlichen Hand laut einer Studie des Umweltbundesamtes (UBA) Mehreinnahmen im zweistelligen Milliardenbereich bringen. Davon betroffen wären Subventionen für Pkw- und Agrardiesel, die private Nutzung fossiler Dienstwagen und landwirtschaftliche Fahrzeuge sowie die Entfernungspauschale. Weitere 12 Milliarden Euro entfielen auf Steuervergünstigungen für Kerosin und die Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge, was allerdings auf europäischer Ebene angegangen werden müsste, so das Ergebnis der Studie zu umweltschädlichen Subventionen im Jahr 2018.

"Es ist paradox, wenn der Staat mit vielen Milliarden den Klimaschutz fördert und gleichzeitig klimaschädliche Produktions- und Verhaltensweisen subventioniert. Beim Klimaschutz rennt uns bekanntlich die Zeit davon", sagte UBA-Präsident Dirk Messner. "Es ist daher wichtig, auch beim Abbau umweltschädlicher Subventionen schnell voranzukommen." Das entlaste die öffentlichen Haushalte und ermögliche klimagerechte Investitionen. "Wir haben einen hohen Finanzierungsbedarf", betonte Messner bei einer Online-Pressekonferenz. Ein Abbau klimaschädlicher Subventionen sei für die kommende Regierung ein mögliches "Reservoir" zur Finanzierung.

Insgesamt entfielen 2018 laut der Studie mit 47 Prozent nahezu die Hälfte der vom UBA identifizierten umweltschädlichen Subventionen auf den Verkehrsbereich, 39 Prozent auf Energiebereitstellung und -nutzung, 9 Prozent auf die Land- und Forstwirtschaft sowie 5 Prozent auf Bau- und Wohnungswesen. Tatsächlich sei die Summe der umweltschädlichen Subventionen höher als die für 2018 insgesamt geschätzten 65,4 Milliarden Euro, da einige umweltschädliche Subventionen nicht quantifiziert werden könnten und die Studie vor allem die Bundesebene betrachte.

Staat setzt ökonomische Anreize in gegensätzliche Richtungen

Umweltschädliche Subventionen hemmten die Entwicklung und Marktdurch-dringung umweltfreundlicher Produkte und gefährdeten die Umwelt- und Klimaziele. Außerdem verteuerten sie den Umwelt- und Klimaschutz, weil der Staat beides stärker fördern müsse, wenn er gleichzeitig umweltschädliche Produkte und Verfahren subventioniere. "Aktuell werden ökonomische Anreize in gegensätzliche Richtungen gesetzt - mal für, mal gegen den Umwelt- und Klimaschutz. Ein Beispiel dafür ist das unsinnige Nebeneinander von Dieselprivileg für Verbrenner und Kaufprämien für Elektroautos", sagte Messner.

Seit der vorherigen Schätzung 2012 habe es nur geringe Fortschritte beim Abbau von umweltschädlichen Subventionen gegeben. Inzwischen seien zwar einige Subventionen wie die Hilfen für die Steinkohle-förderung ausgelaufen, parallel seien jedoch neue eingeführt worden. Im Verkehr sind die Subventionen demnach von 2012 bis 2018 sogar von 28,6 auf 30,8 Milliarden Euro angestiegen. Dies stehe im Widerspruch zur Aufstockung der Förderprogramme für den Klima- und Umweltschutz in den vergangenen Jahren.

Messner betonte, das in der Studie angegebene Subventionsvolumen von 65,4 Milliarden Euro im Jahr 2018 sei nicht identisch mit dem bei einem Abbau zusätzlich gewonnenen Finanzierungs-spielraum für die öffentliche Hand. So könne der Abbau umweltschädlicher Steuervergünstigungen zu umweltpolitisch erwünschten Anpassungsreaktionen führen, die das Steueraufkommen schmälerten. Manchmal empfehle sich auch ein schrittweiser Abbau. Zudem seien beim Abbau von Subventionen flankierende Maßnahmen zur Abfederung sozialer und ökonomischer Folgen nötig.

Regierung soll Rückenwind aus Brüssel nutzen

Einige wichtige umweltschädliche Subventionen ließen sich nur teilweise auf nationaler Ebene abbauen. Ein Beispiel ist laut UBA die Kerosinsteuerbefreiung auf inner- und außereuropäische Flüge, zu der es neue Vorschläge der EU-Kommission gebe. "Die Bundesregierung sollte den Rückenwind aus Brüssel nutzen und sich für einen ambitionierten Abbau umwelt-schädlicher Subventionen auf EU-Ebene einsetzen", forderte Messner. Durch internationale Vereinbarungen zur CO2-Bepreisung oder die Einführung von CO2-Grenzausgleichsmechanismen könnten auch solche Subventionen überflüssig werden, die einheimische Industrien bislang vor Umweltdumping schützten.

In manchen Fällen ist der Abbau umweltschädlicher Subventionen laut der Behörde schon sinnvoll, weil sie ineffizient sind und die ursprünglichen Förderziele ihren Sinn verloren haben - etwa die geringere Energiesteuer für Agrardiesel und die Kraftfahrzeugsteuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge. Bei anderen umweltschädlichen Subventionen sei der Abbau auch aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit geboten - so bei der privaten Nutzung von Dienstwagen, die der Staat mit mindestens drei Milliarden Euro pro Jahr subventioniert.

Gelder, die durch den Abbau umweltschädlicher Subventionen freiwerden, müssten genutzt werden, um Unternehmen beim Umstieg auf treibhausgasneutrale Produktionsweisen zu helfen. Freiwerdende Gelder müsse der Staat außerdem nutzen, um die privaten Haushalte zu entlasten. Bei einer Reform der Entfernungspauschale wäre etwa eine Lösung nötig, die die Sozialverträglichkeit sichere und die positive Umweltwirkung verstärke. Besonders wichtig wäre eine Härtefallregelung für Fernpendler sowie der massive Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs gerade auch auf dem Land.

Auch ein von UBA für ratsam gehaltener Abbau der niedrigen Mehrwertsteuer auf Fleisch und andere tierische Produkte müsste sozial flankiert werden und in eine umfassende Reform der Mehrwertsteuer eingebettet werden, die die Bürgerinnen und Bürger an anderer Stelle entlaste - etwa durch eine geringe Mehrwertsteuer für Obst, Gemüse und andere pflanzliche Nahrungsmittel sowie günstige Bus- und Bahntickets. Grundsätzlich sollten künftig nur noch Subventionen gewährt werden, die in Einklang mit einer nachhaltigen Entwicklung stehen. Um dies zu gewährleisten, soll nach der Empfehlung des UBA stets geprüft werden, ob es umweltfreundlichere Alternativen gibt.

DJG/ank/apo/01.11.2021

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