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BDI sieht in Grünen-Klimapaket "Beruhigungspille" für Stammwähler

Erscheinungsdatum Website: 06.08.2021 17:25:01
Erscheinungsdatum Publikation: 09.08.2021

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BERLIN (Dow Jones)--Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat mit Kritik auf das am Vortag von den Grünen vorgelegte Klimaschutz-Sofortprogramm reagiert. "Eine Beruhigungspille für die grüne Stammwählerschaft ist für die deutsche Industrie zu wenig, um den Wandel zum klimaneutralen Wirtschaftsstandort zu meistern", sagte der stellvertretende BDI-Hauptgeschäftsführer Holger Lösch. "Für die Jahrhundertaufgabe Klimaschutz braucht es einen langen Atem, keine aktionistischen 100-Tage-Programme."

Die Grünen muteten der Wirtschaft mit den vorgelegten Maßnahmen viel zu, lieferten aber nur wenig Unterstützung. "Statt zunehmender staatlicher Lenkung und Verbote sollte die Politik stärker auf die Kräfte des Marktes setzen", forderte Lösch. Ein politisches Vorziehen des Kohleausstiegs zu Lasten der Steuerzahler sei nicht erforderlich und unnötig teuer. Stark steigende CO2-Preise würden in den kommenden Jahren ähnliche Effekte haben, auch ohne ein Aufschnüren des mühsam gefundenen Kohleausstiegskompromisses.

Klimaschutz werde erst zum Erfolg, wenn Deutschland Klimaneutralität unter Erhalt und Stärkung der industriellen Basis erreiche. "Mit einem Klimaschutzministerium, das sich als Kassenwart eines CO2-Restbudgets sieht und durch Vetos agiert, steuert Deutschland in die Klima-Planwirtschaft" monierte Lösch. Neue Gesetze mit einschneidenden Kostenwirkungen für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen sollte die nächste Bundesregierung erst nach sorgfältigen, inhaltlich belastbaren Folgenabschätzungen beschließen.

Der Wirtschaftsrat der CDU übte scharfe Kritik und forderte stattdessen realistische und kohärente Umsetzungsmaßnahmen. "Die angeblich neuen Ideen der Grünen beinhalten weder Überraschungen noch konkrete Maßnahmenvorschläge für eine nachhaltige und marktfähige Transformation hin zur Klimaneutralität", erklärte Generalsekretär Wolfgang Steiger. Stattdessen setze die Partei auf unverhältnismäßige Zielverschärfungen und baue "Luftschlösser abseits unserer demokratischen Ordnung". Dazu zähle der Vorschlag eines Klimaministeriums mit Vetorecht, das nach Dafürhalten des Verbandes "eine eklatante Missachtung der Rechte des Parlaments" bedeuten würde.

Kohlekompromiss soll eingehalten werden

Erneuerbare Energien seien bereits heute vielfach wettbewerbsfähig und sollten deshalb marktwirtschaftlich und als vollständige Marktteilnehmer mit allen Rechten und Pflichten ins Energiesystem integriert werden, erklärte Steiger weiter. Das Vorziehen des Kohleausstiegs auf 2030 sei aus Sicht des Wirtschaftsrates unrealistisch und unnötig. "Ein erneutes Aufrollen des Kohlekompromisses würde das Vertrauen zwischen Wirtschaft und Politik stark erschüttern", warnte Steiger. Einmal getroffene Vereinbarungen seien einzuhalten.

Unterdessen lehnte Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet ein Klimaschutzministerium mit Vetorecht ab. "Wir wollen Deutschland zum klimaneutralen Industrieland machen. Das umfasst auch soziale und wirtschaftliche Fragen. Klimaschutz ist Kanzlerjob", sagte der CDU-Vorsitzende der Rheinischen Post. "Alle Kabinettsmitglieder müssen daran mitwirken und eine künftige Bundesregierung braucht nicht Veto, sondern Turbo", sagte Laschet. Kluger Klimaschutz sei "eine Querschnittsaufgabe und kein Veto-Job einer grünen Ministerin".

Grünen-Chef Robert Habeck bezeichnete die Politik der Union hingegen als "Klimarisiko" für Deutschland und wies die Kritik an einem neuen Klimaschutzministerium zurück. "Vorschläge ablehnen, aber selber keine machen, das geht nicht", sagte Habeck der Zeitung. Seine Partei habe ihre Vorstellungen zur Einhaltung der Pariser Klimaziele auf den Tisch gelegt. "Was bei der Haushaltspolitik gelebte Praxis ist, geht auch in der Klimapolitik", meinte Habeck. Bei beidem gehe es um ein knappes Gut und Generationengerechtigkeit. Das neue Querschnittsministerium solle in die Mitzeichnung aller Kabinettsvorlagen einbezogen werden und jeweils einen "Klima-TÜV" durchführen.

Die Grünen hatten für den Fall einer Regierungsbeteiligung ein Klimaschutz-Sofortprogramm angekündigt, mit dem entscheidende Maßnahmen zur Erreichung der Klimaschutzziele auf den Weg gebracht werden sollen. Unter anderem will die Partei ein Klimaschutzministerium mit Vetotrecht schaffen, den Kohleausstieg auf 2030 vorziehen, eine Ausbauoffensive für erneuerbare Energien und eine beschleunigte Förderung für energetische Gebäudesanierungen starten sowie den CO2-Preis bei Wärme und Verkehr auf 60 Euro ab 2023 vorziehen. Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) und der Verband der Chemischen Industrie (VCI) hatten die Pläne ebenfalls kritisiert.

DJG/ank/cbr/09.08.2021

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