Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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Regierungsbeirat: Sparkassen in nachhaltige Finanzstrategie einbeziehen

Erscheinungsdatum Website: 25.02.2021 19:10:02
Erscheinungsdatum Publikation: 26.02.2021

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BERLIN (Dow Jones)--Regierungsberater haben einen klaren Politikrahmen für ein nachhaltiges Finanzsystem gefordert, der auch die öffentlichen Banken und Sparkassen umfasst. Der Sustainable-Finance-Beirat veröffentlichte dazu einen Bericht mit 31 Empfehlungen, um Kapitalströme kompatibel mit dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens und den UN-Nachhaltigkeitszielen zu machen. "Ziel ist es, Deutschland zum führenden Standort für Sustainable Finance zu machen", sagte der Beiratsvorsitzende Karsten Löffler. Die Bundesregierung sagte eine Prüfung der Vorschläge zu, während die Banken vor zusätzlichen Belastungen für den Mittelstand warnten.

Die Bundesregierung "muss alle Weichen auf Nachhaltigkeit und Zukunft setzen", zumal sie als wichtiger wirtschaftlicher Marktakteur selbst eine Gestaltungsmacht habe, forderte Beiratsmitglied Silke Stremlau. Künftig müssten daher auch öffentlich-rechtliche Finanzinstitute wie die KfW, die Landesförderbanken, Sparkassen, Landesbanken und öffentliche Versicherer ihre Kredit- und Investitionspolitik an diesen neuen Anforderungen ausrichten. Die Vorständin der Hannoverschen Kassen betonte, dass Finanz- und Realwirtschaft bis jetzt keine solche Strategie hätten.

Brüssel arbeitet auch an einer Sustainable-Finance-Strategie

Der Expertenrat wurde von der Bundesregierung vor zwei Jahren eingesetzt, um Empfehlungen für eine Sustainable-Finance-Strategie zu unterbreiten. Die Strategie soll noch im Frühjahr veröffentlicht werden. Parallel dazu will die Europäische Kommission im ersten Halbjahr ihre eigene Strategie überarbeiten. Brüssel arbeitet auch an einer Umsetzung der EU-Taxonomie, mit der Finanzinvestoren konkrete Hinweise erhalten sollen, welche Wirtschaftsaktivitäten als nachhaltig einzustufen sind.

Das Fachgremium empfiehlt der Bundesregierung für ihren eigenen Politikansatz nun nachhaltige Anleiheemissionen sowie Strategien für öffentliche Kapitalanlagen, für Sondervermögen des Bundes und für wirtschaftliche Förderprogramme. Insgesamt soll sich der Staat stärker am Risiko von ESG-Projekten (Environment, Social, Governance) beteiligen.

Experten fordern eigene Anlaufstelle im Finanzministerium

Externalisierte Kosten der Unternehmen sollen etwa mit einem angemessenen CO2-Preis internalisiert werden, damit der Finanzmarkt Chancen und Risiken besser abbilden kann. Nötig seien eine Koordinierungsstelle im Finanzministerium, eine unabhängige Sustainable-Finance-Plattform, aber auch frisches Geld: Mit einem Transformations- und Impactfonds müssten vor allem kleine und mittlere Unternehmen Unternehmen beim Wandel unterstützt werden, so die Empfehlung im Beiratsbericht "Shifting the Trillions".

Es gebe nun zahlreiche Impulse für die Sustainable-Finance-Strategie der Bundesregierung, sagte Finanzstaatssekretär Jörg Kukies. "Aber nicht nur der Staat ist gefordert: Jeder Akteur im Finanzsystem muss sich fragen, ob die Nachhaltigkeitsrisiken erkannt sind und alle Chancen der Transformation genutzt wurden." Wirtschaftsstaatssekretär Ulrich Nußbaum (CDU) betonte, entscheidend seien "klare Rahmenbedingungen und ambitionierte sowie realistisch umsetzbare Empfehlungen".

Kreditwirtschaft: Regierung sollte nicht über EU-Strategie hinausgehen

Die Kreditwirtschaft begrüßte die Empfehlungen zwar. "Allerdings darf die Politik nicht aus den Augen verlieren, dass Banken zwar eine sehr wichtige Rolle bei der Transformation hin zu einer klimafreundlichen und nachhaltigen Wirtschaft spielen, es aber vor allem Anstrengungen in der Realwirtschaft erfordert, Produktionsprozesse und Produkte klimaschonend anzupassen", erklärte der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Helmut Schleweis, zugleich Federführer der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) in diesem Jahr. Die deutsche müsse dabei eng mit der europäischen Strategie verzahnt werden und dürfe nicht über diese hinaus gehen.

Die öffentlichen Banken sprachen von einem richtigen Impuls. Für die neue Nachhaltigkeitspolitik sei aber "die Einbindung der Eigner, sprich Länder und Kommunen, zwingend und gerade im Hinblick auf die regionale Wirtschaftsförderung ein Muss", erklärte der Präsident des Bundesverbands VÖB, Eckhard Forst. Wichtig sei zudem ein pragmatischer Ansatz, der die Wirtschaft nicht unverhältnismäßig belaste.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sieht in den Beiratsempfehlungen "eine erste Grundlage". Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen forderte den Bund auf, mehr Green Bonds zu emittieren und die Investitionsbedingungen in grüne Projekte zu verbessern. "Wichtig ist uns auch die Förderung und der Ausbau von klimarelevanter Grundlagenforschung, um die wissenschaftliche Basis für klimarelevante Entscheidungen zu verbessern", so Asmussen.

Chemieindustrie warnt vor neuem "Bürokratiemonster"

Vor einem neuen "Bürokratiemonster" warnte die Chemieindustrie. Besonders für den Mittelstand sei eine praxistaugliche Umsetzung wichtig, auch durch maßvolle Vorgaben für die nichtfinanzielle Berichterstattung, erklärte der Fachverband VCI. Ohnehin würden Investoren nachhaltiges Wirtschaften von Unternehmen zunehmend stärker wichten. "Regulatorische Vorgaben sollten daher lediglich flankierend eingesetzt werden", betonte VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup.

Die Umweltorganisation Germanwatch forderte, die Sustainable-Finance-Strategie noch vor der Bundestagswahl im laufenden Gesetzgebungsverfahren zu verankern. Die Expertenempfehlungen böten "eine große Chance, um die deutsche Wirtschaft fit für den internationalen Wettbewerb der Transformation zu machen", sagte Politik-Geschäftsführer und Beiratsmitglied Christoph Bals. Als "ernüchternd" bezeichnete er jedoch die Vorschläge für die Versicherungswirtschaft. Hier müsse der zu kurz greifende Risikohorizont erweitert werden. Der Nabu forderte die Bundesregierung zudem auf, sich in Brüssel für eine ambitionierte Finanztaxonomie einzusetzen, die kein Greenwashing zulasse und zu Transparenz verpflichte.

DJG/pso/apo

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