Finanz- und Wirtschaftsspiegel

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EZB-Chefvolkswirt betont Bedeutung nominaler Zinsen

Erscheinungsdatum Website: 25.02.2021 18:50:03
Erscheinungsdatum Publikation: 26.02.2021

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FRANKFURT (Dow Jones)--EZB-Chefvolkswirt Philip Lane hat den Willen der Europäischen Zentralbank (EZB) bekräftigt, für günstige Finanzierungsbedingungen im Euroraum zu sorgen. In seiner Rede bei einem Webinar der Portuguese Securities Market Commission betonte Lane dabei die Bedeutung nominaler Zinssätze für die Beurteilung der Finanzierungsbedingungen. Damit setzte er den Akzent erneut anders als EZB-Direktorin Isabel Schnabel, die ebenfalls am Donnerstag die Rolle realer Zinssätze hervorgehoben hatte.

Realzinsen errechnen sich aus dem Nominalzins abzüglich der erwarteten Inflation. An den Finanzmärkten wird derzeit weltweit über einen drohenden Inflationsanstieg diskutiert. Diese Debatte hat praktische Bedeutung für die Geldpolitik, weil die (nominalen) Staatsanleiherenditen seit Jahresbeginn kräftig gestiegen sind. Aus Lanes Sicht trüben sich damit in den Augen von Wirtschaftsakteuren außerhalb des Finanzsektors die Finanzierungsbedingungen ein, was die EZB verhindern müsse.

Manche Akteure passen Inflationserwartungen langsamer an

Lane sagte laut veröffentlichtem Redetext: "Es ist wahrscheinlich, dass Unternehmen und Haushalte ihre (Inflations-) Erwartungen nicht so schnell anpassen wie Marktteilnehmer. Zumindest diese Akteure, die ihre Inflationserwartungen nur langsam anpassen, nehmen einen Anstieg der nominalen Zinssätze als einen realen Anstieg war." Die EZB konzentriert sich bei der Messung der Inflationserwartungen allerdings auf Finanzmarktvariable und auf Analystenumfragen. Die Erwartungen in ihrer vollen Breite zu erfassen, wäre ein ehrgeiziges Unterfangen, sagte Lane.

Der EZB-Chefvolkswirt hob die Bedeutung von Staatsanleiherenditen und OIS-Spreads nicht nur für die Finanzierung von Staaten, sondern auch für die Bepreisung anderer Kredite hin. "Deshalb beobachten wir die Entwicklung langfristiger nominaler Anleiherenditen genau", sagte er.

Schnabel: Rascher Anstieg der Realzinsen gefährdet die Erholung

EZB-Direktorin Schnabel hatte in einem am Morgen veröffentlichten Interview gesagt: "Ein zu rascher Anstieg der Realzinsen vor dem Hintergrund besserer globaler Wachstumsaussichten könnte die Erholung gefährden." Deshalb beobachte die EZB genau die Entwicklung an den Finanzmärkten. Die Differenzen zwischen Lane und Schnabel hatten sich auch schon im Protokoll der EZB-Ratssitzung vom 20./21. Januar gespiegelt.

Lane spielte in seiner Rede außerdem darauf an, dass der jüngste Anstieg der europäischen Staatsanleiherenditen vermutlich maßgeblich von einer entsprechenden Entwicklung in den USA ausgelöst wurde. "Solche finanziellen Effekte sind besonders dann folgenreich, wenn sich die Volkswirtschaften in unterschiedlichen Phasen des ökonomischen Zyklus befinden", sagte er.

Laut Lane wird die EZB die Käufe im Rahmen ihres Pandemiekaufprogramms PEPP wie erforderlich anpassen, um für günstige Finanzierungsbedingungen zu sorgen. "Wir werden flexibel und entsprechend den Marktbedingungen kaufen, um eine Straffung der Finanzierungsbedingungen zu vermeiden, die nicht konsistent mit der Absicht wäre, dem Einfluss der Pandemie auf den Inflationspfad entgegenzuwirken", sagte Lane.

Auch für die Zeit nach dem PEPP versprach der EZB-Chefvolkswirt "reichlich geldpolitische Akkommodation", die für eine zeitnahe und dauerhafte Annäherung an das EZB-Inflationsziel sorgen müsse. "Vor diesem Hintergrund kommt unsere Strategieprüfung zum rechten Zeitpunkt", sagte er.

DJG/hab/apo

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